Absurdes Theater als Antwort auf ebensolche Wirklichkeit

Die Schrecken des Zweiten Weltkriegs wurden in Paris – das jahrelang von den Nazis belagert worden war – u.a. mit einem neuen Komödiengenre aufgearbeitet. Sein Name bildete sich erst in den 50er Jahren heraus und kam vom lateinischen „Surditas“. Dieses Wort bezeichnet in der Ohrenheilkunde die Taubheit, das davon abgeleitete Adjektiv „abdurd“ stand ursprünglich für „misstönend“ und etablierte sich schließlich als Bezeichnung für Phänomene, die der Logik des Alltags zuwiderlaufen.

Tilman Spengler: „Absurdes Theater zielt nicht darauf, die Zuschauer durch eine Logik der Handlung, der Gefühle, der Argumente zu fesseln und zu überzeugen. Vielmehr geht es darum, scheinbar Vertrautes durch die Anarchie der Komik zu brechen. (…) Einen ganz anderen Zugang liefert die Philosophie des Existenzialismus, die gerade nach dem Zweiten Weltkrieg in Westeuropa eine geradezu religiöse Verehrung genoss. Die Schlagworte ‚Unbehaustheit‘ und ‚Geworfenheit‘ kommen daher. Die Ideale, für die noch wenige Jahre zuvor gekämpft worden war, hatten sich aufgelöst, dem Leben und dem Leiden der Menschen wurde jeglicher Sinn abgesprochen. Junge nachdenkliche Männer in schwarzen Hosen und schwarzen Pullovern versicherten jungen nachdenklichen Frauen in schwarzen Hosen und schwarzen Pullovern, das Leben sei schrecklich leer“.

Während die meisten Klassiker dieser Theatergattung heute ehrenvoll ins Archiv entrückt und uns hauptsächlich dem Namen nach geläufig sind – etwa „Die Irre von Chaillot“ von Jean Giraudoux oder Eugène Ionescos „Die Nashörner“ und „Die kahle Sängerin“ – hat sich das 1953 uraufgeführte Clownspiel „Warten auf Godot“ auf unseren Spielplänen erhalten. Sein Autor: Samuel Beckett, ein Ire, der in der Pariser Résistance gekämpft hatte. Das Stück um die Vagabunden Vladimir und Estragon, die auf einer fast leeren Bühne sitzen, warten und grübeln, machte Beckett berühmt und stellte die rhetorische Frage nach dem Sinn des Ganzen, an der sich Publikum, Feuilleton und Historiker seither lustvoll abarbeiten.
Ein halbes Jahrhundert später wurde in einer unauffälligen TV-Dokumentation die Erklärung angeboten, der mysteriöse Godot könnte ein Schleuser sein, der von zwei Flüchtlingen herbeigesehnt wird. Vielleicht ist diese sehr einleuchtende Deutung deshalb so schnell wieder vergessen worden, weil es zum Wesen dieser Kunstgattung gehört, dass man es auf einer bestimmten Ebene so genau gar nicht wissen will.

Weitere wichtige Vertreter des Absurden Theaters sind sein Vorreiter Karl Valentin, der es geradezu physisch verkörpert, sowie Jean Genet, Harold Pinter und Edward Albee, die sich auch auf anderen Gebieten betätigt haben.

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