Sonnenuntergang ist Definitionssache

Ich bin immer erleichtert, wenn sich mir die Erkenntnis, dass verbale Kommunikation ohne Missverständnisse reine Glücksache ist, in einem Zusammenhang offenbart, der zumindest nicht dramatisch wichtig oder sonstwie gefährlich ist.
Einmal bin ich mit zwei Freunden zusammen in Urlaub gefahren, weil wir gewisse soziologische Gemeinsamkeiten haben und weil die beiden so nett waren, unsere Reise zu organisieren und ich nur bezahlen und mitfahren musste.
So verschlug es mich für einige Tage nach Ibza – ausnahmsweise.
Eines Abends schlug einer aus unserer Runde – nennen wir ihn Ollie – vor, wir sollten uns an einem Ort, der glaub‘ ich Hasenfelsen hieß, gemeinsam den Sonnenuntergang anschauen. Das könnte lustig sein, weil das alle Touristen immer ganz toll fänden. Als jemand, der wenig in der Welt herumkommt und der die meisten Sehenswürdigkeiten nur von Bildern kennt, stimmte ich begeistert zu. Der Dritte – sagen wir Marco zu ihm – brauchte immer, etwas länger im Bad (aus einer putzigen Eitelkeit heraus). Ollie und ich drängten also extra eine Stunde früher zum Aufbruch als wir es sonst getan hätten.
Leider brauchte Marco an diesem Tag zwei Stunden länger, bis er sich für eins seiner bis auf die leuchtende Grundfarbe identisch aussehenden T-Shirts entschieden hatte, und so kamen wir gerade noch rechtzeitig, um zu erleben wie der letzte Zipfel der Sonne hinter die Felsenkante rutschte.
Marco war es völlig unbegreiflich, warum wir mit den Augen rollten. Mit diesem kleinen Absacken der Abendsonne war der Tatbestand des betrachteten „Sonnen-Untergangs“ für ihn erfüllt.*
_________________
* Poetischeres zum Thema Sonnenauf- und -untergänge hat übrigens der Roman „Gentleman über Bord“ von Herbert Clyde Lewis zu erzählen. Das Buch wurde mir aus recht vertrauenswürdiger Quelle heiß empfohlen (es wird im nächsten Fall von Muße gelesen werden!), und der Anfang berechtigt schon zu den schönsten Hoffnungen.

Dieser Beitrag wurde unter Gesellschaft, Literatur, Monty Arnold - Biographisches abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert