Die Last mit der Autofiktion

Autofiktion – also Literatur, in der eine Figur, die eindeutig als der Autor erkennbar ist, in einer offensichtlich als fiktional gekennzeichneten Erzählung auftritt – ist der aktuelle heiße Scheiß auf dem Buchmarkt.
In der aktuellen Ausgabe des „Freitag“ stellt Marlen Hobrack fest, dass dieses Phänomen den Kritikern zunehmend auf die Nerven geht. Ihr Fazit: Autofiktion würde als „weiblich“ (als weiblicher Ansatz) wahrgenommen, und die beschriebenen Vorbehalte seien folglich Ausdruck von Frauenfeindlichkeit: „Das Ringen mit Stoff und Form (wie männlich!) gegen die vermeintliche Formlosigkeit der Autofiktion. Die distanzierte, kühle Schau auf die Gesellschaft (wie ein männlicher Wissenschaftler, absolut objektiv!) gegen die Nabelschau. Man müsste schon blind sein, um die traditionelle Geschlechterdichotomie in den Deutungsmustern übersehen zu können! Autofiktion ist in diesem Sinne ein weiblich konnotiertes Schreiben. Womit nicht gemeint ist nur Frauen schrieben Autofiktion (der Autor der Autofiktion par excellence ist schließlich Karl Ove Knausgård) oder Frauen bedienten sich ihrer besonders häufig. Nur wird diese Form des Form des Schreibens eben als weiblich gelesen – buchstäblich!“
Unabhängig davon, ohne zu widersprechen und ohne mich annähernd so gut in den Diskurs eingelesen zu haben (ich weiß nur das, was ich dem Artikel entnehmen konnte), komme ich zu einer anderen Schlusspointe. Sagen wir: ich bleibe auf einem anderen Ärgernis sitzen.
Autofiktion ist zuallererst Ausdruck von Unlust / fehlendem Talent zum Erfinden von Figuren (und deren Geschichten). Zeitgenössische Autoren und Autorinnen haben zwangsläufig den historischen Abschnitt mit mir gemein, und folglich langweilt mich das meiste, was aus dieser mir selbst hinreichend bekannten Perspektive der fremden Normalität abgepresst wird, ohne wirklich etwas dazuzuerfinden. Vor allem auf dem Gebiet der Graphic Novel ist dieses unentwegte Nacherzählen des eigenen Alltags von Vorgestern eine echte Strapaze.

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