Aber bitte mit realem Bezug

Pier Paolo Pasolini wäre entzückt. Das „Theater an der Ruhr“ geht in einer neuen Produktion der Frage nach, ob sein Freitod, den er im Stil und mit dem Geschmack seines letzten Films „Die 120 Tage von Sodom“ aufwendig inszeniert hatte*, nicht doch eine Ermordung durch einen gedungenen Handlanger war. Der Tod des berühmten italienischen Regisseurs gilt bis heute als nicht aufgeklärt, der Strichjunge, der ihn erstach, war nur eine von fünf Personen, deren DNA an seinem geschundenen Leichnam gefunden wurde. Eine Verschwörung aus Mafia, Staat und Ölindustrie wird inzwischen von Leuten für möglich gehalten, die das ganz große Format lieben. Auch dass ein Kapitel von Pasolinis Romanprojekt „Petrolio“ nicht mehr aufzufinden war, war für den Theaterregisseur Roberto Ciulli ein Anlass, den Fall thematisch in seinen nun beginnenden Aufführungszyklus „Geheimnis“ aufzunehmen. Titel des Stücks: „Pasolini. Io So“ („ich weiss“). Ciulli ist 90, Gründervater des Theaters und selbst eine Legende, wie die „taz“ erläutert.
Dass Pasolini auch die Kack- und Sackgeschichten seines letzten Films „Salò o le 120 giornate di Sodoma“ als antifaschistische Parabel gedeutet wissen wollte, passt gut zu den realen Problemen unserer Zeit, in der die Rechtsradikalen innerhalb außerhalb seiner Heimat auf dem Vormarsch sind.
Unabhängig von der Qualität der Theaterarbeit (ich hatte noch nicht Möglichkeit, das Stück zu sehen), finde ich bedauerlich, in welchem Trend es sich bewegt. Ob und wie politisch Kunst eigentlich ist, war jahrhundertelang eine spannende Frage. Inzwischen wird allenthalben Gesinnung gemacht, ist Jesuitentheater, wohin man schaut. Auch die Popkultur wird längst unablässig nach Vorwänden abgesucht, sich künstlich aufzuregen oder Gruselgeschichten irgendwo hineinzugeheimnissen. Ein Produkt, das sich dazu nicht eignet, hat rasch den noch schlimmeren Vorwurf an der Backe, nicht relevant zu sein. Das Schimpfwort dafür lautet: „Unterhaltung“.
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* Siehe https://blog.montyarnold.com/2014/11/02/dudu/

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