Nicht mal sexy, dieser Bösewicht

betr.: 50. Todestag von Hannah Arendt

Die Formulierung von der „Banalität des Bösen“ ist einer jener Aussprüche, die es aus einer vereinzelten Situation heraus in den geflügelten Wortschatz geschafft haben. In diesem Fall erinnern sich ungewöhnlicherweise sogar viele an Urheberin und Anlass: als 1961 dem in Argentinien aufgespürten Kriegsverbrecher Adolf Eichmann in Israel der Prozess gemacht wurde – aufgezeichnet und in alle interessierte Welt übertragen -, schrieb die Holocaust-Überlebende Hannah Arendt: „An diesem Prozess teilzunehmen ist irgendwie, so meine ich, eine Verpflichtung, die ich meiner Vergangenheit gegenüber habe“. Die Redewendung ist der Untertitel ihres Buches „Eichmann in Jerusalem“.

Zu Arendts Verblüffung erwies sich der wichtigste Organisator der Ermordung der Juden nicht als Ungeheuer, sondern war blass und spießig, seine Selbstverteidigung alles andere als eloquent.  Dass sie in diesem Zusammenhang von der „Banalität des Bösen“ sprach, wurde scharf kritisiert. Im Rahmen des regelrechten Kesseltreibens, das nun seinen Lauf nahm, wurde ihr als Jüdin auch mangelnde Liebe zum jüdischen Volk unterstellt. 1963 schrieb sie dazu an den Religionshistoriker Gershom Scholem:
„Erstens habe ich nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv ,geliebt‘, weder das deutsche noch das französische, noch das amerikanische, noch etwa die Arbeiterklasse oder was es sonst so noch gibt. Ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig. Zweitens wäre mir aber diese Liebe zu den Juden, da ich selbst jüdisch bin, suspekt. Ich liebe nicht mich selbst und nicht dasjenige, wovon ich weiß, dass es irgendwie zu meiner Substanz gehört.“

Die Nachwelt hat Hannah Arendt recht gegeben, indem sie ihr Urteil über Eichmann heute als keineswegs schmeichelhafte Umschreibung weiternutzt. Das Böse muss nicht malerisch oder sexy sein, kein schillerndes Monster, wie wir es in der Literatur oder in der Popkultur so lieben. Das Fehlen solcher Attribute ermöglicht ihm ein unso ungestörteres Wirken. Die meisten Täter des NS-Regimes mussten nicht einmal nach Südamerika flüchten, sie konnten in Deutschland und Österreich sogar ihre Karrieren bruchlos fortsetzen. Unter Klarnamen.

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