Die Kunst, das Richtige wegzulassen

Der Pulitzer-Preisträger Bill Mauldin (1921-2003), bekannt durch seine Landser-Karikaturen aus dem Zweiten Weltkrieg, lobte einst, was auch der wichtigste deutsche Comic-Künstler der Gegenwart, Ralf König, schätzt (und was er besonders bei seinem großen Vorbild Claire Bretécher am Werk sieht): Minimalismus. Verdichtung. Die Kunst, mit möglichst wenigen Strichen alles Nötige zu sagen.
Für Mauldin scheinen die meisten großen Comic Strips „in großer Hast gezeichnet zu sein. Selbst ihre begeistertsten Leser schienen zu glauben, dass die Autoren sich beim Ausdenken der Geschichten so erschöpft hatten, dass für die Zeichenkunst nicht mehr viel übrigblieb. Keinesfalls! Die einfachste Form des Zeichnens ist die einer wirren Überfülle. Zeichner, die jedes Fleckchen ihrer Werke mit Details beladen, gelten in der Branche als ‚Nietenpinsel‘, weil bei ihnen jede Niete in jedem Heizkörper stimmt. Was macht es dabei schon aus, wenn die Hauptsache im Bild verrutscht ist? Sie bieten dafür eine Rechenmaschine mit hunderten von Schaltern oder einen Baum mit jedem Blatt. Nichts überzeugt den Leser wohl mehr als ein Baum, an dem kein einziges Blättchen fehlt.“ (Man beachte Mauldins seherische Qualität, wenn er in diesem Zusammenhang von einer „Rechenmaschine“ spricht …)
Am Beispiel von Johnny Hart und dessen Strip „B. C.“ führt der Zeichner weiter aus: „… man gehe hin und platziere zwei ungewaschene Höhlenmenschen vor eine horizontale Linie, die die Oberfläche eines Moores oder die Unterkante eines bedeckten Himmels sein könnte, – oder vor eine geschwungene Linie, die den Hang eines Berges oder den Rand eines Regenbogens darstellen mag – und die Platzierung der Hauptsache im Bild darf einfach nicht verrutschen. Sie muss stimmen!“

Die frühen Cartoonisten des amerikanischen Zeitungscomics – und später die Humoristen unter ihnen – waren Großmeister der Verdichtung auf das Wesentliche. Dik Brownes „Hägar der Schreckliche“ ist ein berühmtes, „Tiger“ vom genialen Bud Blake** ein vergessenes Beispiel. Als die fleißigsten „Nietenpinsel“ dürfen die Vertreter des fotorealistischen Comics angesehen werden.
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* Siehe auch https://blog.montyarnold.com/2020/04/27/humor-omnia-vincit-12/
** Siehe https://blog.montyarnold.com/2014/11/26/die-verschollenen-nachbarn-der-peanuts/

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