Damals in den Siebzigern wollten alle Cops raus aus New York. Aber die einzigen, die eine Erlaubnis erhielten, außerhalb der Stadt zu wohnen, waren die Jungs von der Bahnpolizei – weil das öffentliche Verkehrsnetz im Verbund mit Jersey und Connecticut betrieben wurde. Deswegen fingen die Kollegen, die ich vom 37. Revier her kannte, an, auf den U-Bahnhöfen Überstunden zu schieben, damit sie von der Stadt als Verstärkung der Bahnpolizei anerkannt wurden. Sie kauften sich Grundstücke in Jersey, die sie mit Krediten von bestimmten Leuten günstig bekamen. Sie schufen sich ein Zuhause, wo die Scheiße nicht hinschwappen konnte. Jedenfalls dachten sie das …
Prolog „Cop Land“
So wie der Nachtclub der Schlüsselschauplatz des Kriminalmelodrams ist, bildet der Vorortzug die Hauptschlagader jener Geschichten, die sich mit der amerikanischen Mittelklasse beschäftigen. Er verbindet die Parallelwelten Vorstadt – jener wohlig aufgeräumte Ort, an dem die Wochenenden und Feierabende verbracht werden, wo die Familie lebt – und Großstadt – ein Moloch, der den Arbeitsalltag beherbergt, aber auch rauschende Verlockungen bereithält. Beide werden von gewissen Archetypen bevölkert: der rasensprengende Familienvater auf der einen, der Gangster bzw. der seine Frau am Telefon belügende Spesenritter auf der anderen Seite; hier die treue und vielleicht ein wenig frustrierte Hausfrau, dort das Blonde Gift, das in Nachtclubs auf Beute lauert, um sein männliches Gegenstück ins Verderben zu stürzen.
Aus dem Spannungsfeld der beiden Welten beziehen auch jene Erzählungen einen Großteil ihrer Energie, die sich auf eine davon konzentrieren – etwa der Film Noir auf die Großstadt oder die Romane von John Updike auf die Vor- bzw. Kleinstadt. Jede dieser Welten dient der anderen – einen gewissen Abstand (eine Unerreichbarkeit) vorausgesetzt – als Sehnsuchtsort.
Dies ist das amerikanische Modell, und es ist nicht 1:1 auf die Bundesrepublik (die diese Verhältnisse aus deren kulturellen Produkten der USA bestens kennt) übertragbar. Hier sind die Begriffe „in der Stadt“ und „auf dem Land“ als feindliche Gegenstücke konnotiert, die einander verachten, während der „amerikanische“ Typ des in der Vorstadt lebenden und in der Stadt arbeitenden Helden beides verbindet.
Zurzeit erleben wir einen allgemeinen Hype, in der Stadt zu leben.
Das war nicht immer so, und es wird auch nicht so bleiben!
Vor 150 Jahren schloss Wilhelm Busch seinen berühmten neidischen Kleinbürgermonolog, der das Leben in der Großstadt neidisch verteufelt, mit den Worten:
Zwar man zeuget viele Kinder,
Doch man denkt sich nichts dabei.
Und die Kinder werden Sünder,
Wenn’s den Eltern einerlei.
„Komm, Helenchen, sprach der brave
Vormund. – Komm, mein liebes Kind!
Komm aufs Land, wo sanfte Schafe
Und die frommen Lämmer sind.
Da ist Onkel, da ist Tante,
Da ist Tugend und Verstand,
Da sind deine anverwandte!“
So kam Lenchen auf das Land.
Die Vorstadt-Idylle* mit ihrem physischen Komfort, der das Ergebnis von und die Belohnung für erbrachte Mühen darstellt, nimmt bei hellsichtigen Autoren die Atmosphäre der trügerischen Utopie in einer Science-Fiction-Erzählung an, hinter der sich dystopisches Grauen versteckt.**
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* Siehe https://blog.montyarnold.com/2014/11/26/die-verschollenen-nachbarn-der-peanuts/
** Siehe dazu die Einträge https://blog.montyarnold.com/2017/10/20/die-schoensten-filme-die-ich-kenne-48-der-schwimmer/ – https://blog.montyarnold.com/2018/11/01/die-schoensten-filme-die-ich-kenne-81-zeiten-des-aufruhrs/ – https://blog.montyarnold.com/2017/02/03/die-schoensten-filme-die-ich-kenne-14-der-mann-der-zweimal-lebte/