So lebt Tobias, Held der Kurzgeschichte „Der nervige Selbstmordkandidat“ aus Heinz Strunks Erzählungsband „Der gelbe Elefant“.
Samstag, Mitte Juli. Tobias hat spontan (eigentlich ist er kein spontaner Typ) zu einer Party auf seinem Balkon eingeladen. Der ist mit vierzehn Quadratmetern unbestrittenes Highlight und einziger Trumpf der dunklen, schlecht geschnittenen Zweieinhalbzimmerwohnung. Neulich war in der Zeitung von einem Balkonabsturz in Stuttgart zu lesen, die Mieter hatten draußen ein großes Planschbecken aufgestellt, sechs Personen wurden teils schwer verletzt. Die Wohnung von Tobias liegt im vierten Stock, bei einem vergleichbaren Unglück würde es mit Sicherheit Tote geben. Mehr als zehn Personen wird er nicht gleichzeitig rauflassen.
Wenn überhaupt so viele Leute seiner Einladung folgen. Das Viertel, in dem er wohnt, ist so unbeliebt wie unbekannt, ein einschläfernder No-Name-Stadtteil kurz vor dem Speckgürtel, runtergekommene Nachkriegsbauten mit zernarbten, abblätternden Fassaden, städtebauliche Nullität. Mit Öffis braucht man vom Zentrum fast eine Stunde, das dürfte viele abhalten.
(…) Sicher findet an einem anderen place to be, ganz in der Nähe, das coolere Event statt, das sämtliche Partypeople, die eigentlich auf dem Weg zu ihm wären, ansaugt, einsaugt und nach 24 Stunden high life in Tüten komplett durchgeranzt wieder ausspuckt.
(…) Der Lärm von der nahen Bundesstraße geht ihm auf die Nerven. Er ist ursprünglich vom Dorf, und an das Dauergetöse der Stadt kann er sich einfach nicht gewöhnen. Sein Hemd fühlt sich durchgeschwitzt an. Es ist schwül und drückend, eine fettige, stehende, leicht faulige Hitze. Die Rasenfläche vor dem Haus wirkt grau und glanzlos, wie von Krankheit befallen. Allerhöchste Zeit, der Gegend den Rücken zu kehren. Nächstes Jahr. Allerspätestens.
Heinz Strunk hat nur ein einziges Thema: die Unappetitlichkeit menschlicher Körper und der Seelen, die darin eingekerkert sind. Doch auch auf die Räume, die sie bewohnen, kann diese Befindlichkeit abstrahlen.