betr.: „L’Argent de la Vieille“ mit Amanda Lear

Amanda Lear war eine archetypische Ikone des Disco-Zeitalters und ist eine der letzten Überlebenden dieser Ära, die sich noch in Topform präsentiert. Dem Trash allzeit näher als dem Camp, wirkt ihre Lebensgeschichte erstaunlich frisch, wenn man die aktuellen Genderdebatten bedenkt. Das stets nebenbei deutlich dementierte und gleichsam gepflegte Gerücht, sie sei ursprünglich ein Mann gewesen, hat die Dalí-Muse allzeit mit einem Glitzer umgeben, der den Bohemiens ein exotisches Kribbeln und den Kleinbürgerlichen ein wohliges Gruseln bereitete.
Zur Zeit ist die Diva auf der Boulevard-Bühne zu sehen. In Paris spielt sie die Titelrolle in der Klamotte „L’argent de la vieille“, die soeben auch aufgezeichnet wurde.
Bei dem flachen, auswechselbaren Stück handelt es sich tatsächlich um ein Werk mit Vergangenheit, das auch unter dem Titel „The Game“ kursiert. Bette Davis hat Anfang der 70er Jahre in einer Verfilmung mitgespielt, mochte das Ergebnis allerdings nicht, weil man ihr nicht deutlich genug gesagt hatte, dass „The Scientific Cardplayer“ auf Italienisch gedreht und später synchronisiert werden würde.
Der Inhalt: Eine exzentrische, der Spielsucht verfallene Milliardärin (im Film noch lediglich eine Millionärin) liebt es, Mitspieler aufs Kreuz zu legen, die sich den Einsatz gar nicht leisten können. Jedes Jahr reist sie mit ihrem Sekretär und Ex-Liebhaber (im Film: Joseph Cotten) nach Rom (im aktuellen Stück: Paris), um ein Paar in Geldnot im Kartenspiel zu schlagen. Obwohl sie üblicherweise verlieren, um der alten Dame eine Freude zu machen, ist die weibliche Hälfte diesmal ausdrücklich dagegen und besteht darauf, den Gewinn zu kassieren. Die Alte gewinnt – zumal sie nicht fair spielt – und wird zur Strafe zum Abschied mit einem vergifteten Kuchen beschenkt.
Mein Begleiter bemängelte Plastiklampen und sonstigen Nippes aus dem Supermarkt in der Einrichtung der angeblichen Milliardärsunterkunft. Ich fand das nicht so tragisch: die Requisiten spielten uns eben auch etwas vor. Einig waren wir uns bei der Energie des fünfköpfigen Ensembles. Dieses ging mit einer Spielfreude ans Werk, die ich sofort dem mediterranen Temperament zuschrieb, die aber auch jede deutsche Theateraufführung schmücken würde, Boulevard oder nicht.