Didi und die Rache der Enterbten

Wer heute als links-strukturkonservativer Mensch gegen übertriebene Wokeness und die grimmige Aufforderung zum Gendern öffentlich aufbegehrt, hat auf einen Schlag eine Reihe von Problemen am Hals. Eines davon ist, dass er in den Verdacht gerät, ein Gesinnungsfreund von Dieter Hallervorden zu sein.
Jener seit bald 60 Jahren von seinem Heimatland von Millionen geschätzte und gebührenfinanzierte Publikumsliebling, der dennoch sehr an ebendieser Heimat leidet, ist ein widersprüchlicher Mann – was grundsätzlich kein schlechter Charakterzug ist. Schon mit meiner Verehrung hätte er ein Problem: ich liebe ihn nämlich noch immer dafür, wie er mich in meiner Kindheit in „Nonstop Nonsens“ zum Lachen brachte. Von dieser entscheidenden Phase seiner Karriere will er heute ja nichts mehr wissen, weil er sie als unter seinem Niveau erachtet. Das sehe ich anders – zumal mich sein späteres Werk nicht mehr überzeugt.* Hallervordens damaliges Konzept, sein Personalstil, der ganze Modus Operandi werden bis heute von mir bewundert. Ich mag die klassischen Gags und weiß auch, dass die landläufige Rubrik „Klamotte“ eine hohe und ehrenhafte Kunst ist.
Dennoch hatte ich damals wie heute mit einigem ein massives Problem. Einige Sketche waren  zutiefst homophob und Hallervorden machte nebenbei keinen Unterschied zwischen Homosexualität, Travestie und Transvestismus. Das schmerzte mich jedesmal, und doch fand ich die Sendung zum Totlachen. (Bei meiner Begeisterung für „Insterburg und Co.“ verhielt es sich ganz ähnlich, auch wenn die auf die gruseligen Travestien weitgehend verzichteten.)
Wann immer heute ein öffentlicher Mensch des demokratischen Spektrums aus gesellschaftspolitischen Gründen gecancelt oder sagen wir: kritisiert wird (Hallervorden geht’s ja insgesamt prächtig!), halte ich mich raus. Wenn ich ihn doof finde, bedaure ich, dass seine Ablehnung aus den falschen Gründen geschieht. Wenn ich seine Arbeit schätze, geht es mir wie einst mit Dieter Hallervorden. Ich lache weiter und bin ein wenig verstimmt über das übrige Publikum.
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* 1985 hat er mich noch einmal mit „Die Nervensäge“ begeistert, einer Sitcom, die auf der BBC-Serie „Goodbye, Mr. Kent“ (1982) basiert und später in „Didi – Der Untermieter“ umbenannt werden musste. Die unbezahlbare Rotraud Schindler war wieder an seiner Seite, ebenso die gemeinsame Tochter Nathalie.

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