betr.: So leben literarische Figuren
Als sich die Haustüre geschlossen hatte und Baines, der Diener, in die dämmrige leere Halle zurückgekehrt war, begann für Philipp das Leben. Er stand vor der Türe des Kinderzimmers und lauschte auf das Geräusch des abfahrenden Taxis. Seine Eltern waren eben für vierzehn Tage verreist, und er war „zwischen zwei Kindermädchen“; das alte war entlassen worden und das neue noch nicht eigetroffen. Er war allein in dem großen Haus am Belgrave-Platz, alleine mit Baines und dessen Frau.
Nun konnte er überall hingehen, selbst durch die Türe mit dem grünen Vorhang, die zur Speisekammer und hinunter zur Kellerwohnung des Dienerpaares führte. Alles kam ihm fremd und vor in diesem Haus, weil er jeden Raum betreten konnte und niemand darin war.
Und doch spürte er überall einen Hauch der Abwesenden: im Rauchzimmer mit dem Pfeifenständer zwischen den Elefantenzähnen, mit dem geschnitzten Tabakstopf; im Schlafzimmer mit den rosa Tapeten und Vorhängen, mit dem kaum spürbaren Hauch verflüchtigten Parfums und den halbgeleerten Gesichtscremetöpfchen, die Frau Baines noch nicht weggeräumt hatte; im Salon mit dem schwarzglänzenden nie berührten Flügel, der Kaminuhr aus Porzellan, den kleinen geschweiften Tischchen und dem Silber. Aber hier war Frau Baines bereits an der Arbeit; sie nahm die Vorhänge ab und bedeckte die Fauteuils mit weißen Überzügen, um sie vor Staub zu schützen. (…)
Philipp Lane (…) ging schnell hinaus und öffnete zögernd die Türe hinter dem grünen Vorhang. Er warf einen Blick in die Speisekammer; aber Baines war nicht da. Dann betrat er zum erstenmal die Treppe, die in den Keller führte.
Beginn von Graham Greenes Novelle „Das Kellerzimmer“ („The Basement Room„)