The Running Man
Science-Fiction-Thriller von Edgar Wright
Der Film
Gejagt von Profikillern müssen Teilnehmer einer live übertragenen Realityshow 30 Tage überleben, mit jedem Tag erhöht sich der Gewinn. Der Arbeiter Ben Richards (Glen Powell), lässt sich darauf ein, um die Behandlung seiner kranken Tochter finanzieren zu können. Seine Frau Sheila sah sich deshalb bereits zur Prostitution gezwungen. Die Jagd beginnt – verfolgt von einem blutrünstigen Publikum und dem Produzenten Dan Killian (Josh Brolin). Unterstützung erhält Ben vom Rebellen Bradley Throckmorton, sieht sich jedoch gezwungen, auf seiner Flucht die Zivilistin Amelia als Geisel zu nehmen.
Der deutsche Fernseh-Autor Wolfgang Menge spielte diesen Plot bereits 1970 mit seiner aufsehenerregenden Satire „Das Millionenspiel“ durch – mit Dieter Hallervorden als einem der Killer. Doch als Vorlage für den Film dient der Roman „The Running Man“, den Stephen King 1982 unter Pseudonym veröffentlichte. Auch mit der Erinnerung an die sehr freie Verfilmung mit Arnold Schwarzenegger 5 Jahre später muss der Film umgehen. King verlegte die Handlung auf das Jahr 2025 und erlebt in diesem Jahr schon die vierte Verfilmung eines seiner Werke.
Die Kritik
Der Beginn der 2000er Jahre war eine große Sache für die Menschheit. Die ganze Welt fürchtete sich vor den Millennium-Bug, also dem weltweiten Zusammenbruch aller Computersysteme, die mit der Änderung der ersten Ziffern der Jahreszahl von 19 in 20 nicht zurechtkommen würden. Bekanntlich ist es so schlimm nicht gekommen. Doch etwas anderes brach zusammen: unsere Idee von der Zukunft. Ein Kolumnist schrieb: „Jetzt sind wir alle Science-Fiction“. Und siehe da: die Menschheit sei genauso doof wie vorher.
Seither hat es die Science-Fiction-Gemeinde – ebenso wie die kreativen Köpfe – zunehmend schwer mit dystopischen Stadtlandschaften und Alltagsschilderungen. Sie sind von unserer Realität nicht mehr zu unterscheiden. Schon die großen Zukunftsdaten der Filmgeschichte – 2001, 2010 etc. – sind vielfach von uns überholt worden.
Der Film „The Running Man“ legt sich – im Gegensatz zur Romanvorlage – denn auch gar nicht fest, wann er genau spielt. Sein Alltagsdesign lehnt sich an den Look solcher Schwarzenegger-Vehikel wie „Terminator 2“ oder „Total Recall“ an. Arnie selbst verzichtet übrigens auf den obligatorischen Gastauftritt, taucht aber als Foto mehrmals auf und lebt auch in den enormen Muskelpaketen des Hauptdarstellers weiter. Ganz in diesem Sinne gibt es eine Vortitelsequenz und einen richtigen Vorspann, wie früher. Doch während Schwarzenegger ein Scherzbold war, der immer achtgab, dass wir mit einem guten Gefühl aus seinen Filmen herauskamen, wird uns heute kein mieser Realitätsbezug erspart. Niemals entrinnen wir dieser untergehenden Welt aus Digital-Terror, Fake-News, Deepfakes und einem zerstörten Gemeinwesen, vor der wir im Kino doch eigentlich für eine Filmlänge Schutz suchen. An Glenn Powell hätte es nicht gelegen, er hält eine erstaunliche Balance zwischen zornigem Draufhauen und einem Augenzwinkern, das zuweilen an Bruce Willis erinnert. (Jetzt aber Schluss mit der Nostalgie!)
Der Film startet als bemerkenswert solides und gradliniges Popcorn-Kino. Die unvermeidliche Motivationserzählung mit Richards‘ krankem Kind, für das er dies alles auf sich nimmt, wird knappgehalten, und die Casting-Szenen in dem zur Knochenmühle ausgebauten TV-Konzern sind eindringlich erzählt. Was nicht recht hineinpasst in einen futuristischen Entwurf – etwa, dass sich der Held in einer derartigen Totalüberwachung überhaupt in einem Hotel verstecken könnte oder dass plötzlich wieder alle Welt Bock auf lineares Fernsehen hat – wird mit gut erzählter Action weggewedelt. Die Helfer, die dem Gejagten beispringen, sind nicht die üblichen Unschuldslämmer und werden nicht ausnahmslos später umgebracht (das ist beachtlich). Der Ober-Bösewicht, der ruchlose TV-Produzent Dan Killian, wird von Josh Brolin recht elegant performt. Vor 15 Jahren hätte diese Rolle sicherlich Willem Dafoe gespielt. Als eine Art öliger Hilfsteufel fungiert der Moderator der Show, Colman Domingo als „Bobby T“. In Wolfgang Menges „Millionenspiel“ hatte der weitaus gruseligere Dieter Thomas Heck den Part inne – mit exakt dem gleichen Charme, den er in der „ZDF-Hitparade“ verströmte. Domingo orientiert sich an dem legendär coolen Entertainer Cab Calloway, der vor einem Jahrhundert ein Star war und der seine Magie in dem Kultfilm „The Blues Brothers“ für künftige Generationen konservieren konnte.
Die Geschichte nimmt Fahrt auf, und die Zeit reicht gerade, um sich in dem Gefühl zu wiegen, in einem unbeschwerten Action-Kracher alter Schule zu sitzen. Aber dann kommt der dritte Akt, und der ist bekanntlich der schwerste. Der Film verstrickt sich in chaotischen Miesigkeiten und findet kein Ende, ein finsteres Alternativ-Finale reiht sich an das andere. Die versöhnliche Szene im Supermarkt wäre ein wundervoller Schluss gewesen. Aber erstens hätte man dann einiges wegschmeißen müssen (früher wäre es in den Bonus-Teil der DVD verschoben worden, aber das ist heute noch überholter als lineares Fernsehen), zweitens muss heute nach einer unerfindlichen Regel jeder Film Überlänge haben (wenigstens ein bisschen), und drittens hätte sich doch sicher jemand gefunden, der dieses Ende als zu happy, als kitschig gebrandmarkt hätte. Es hätte auch dem Versuch im Wege gestanden, den Film (siehe oben) künstlich mit Relevanz aufzuladen. Das kann in diesem Genre nicht mehr funktionieren, es funktioniert nicht. „The Running Man“ ist nicht einmal eine leidliche Mediensatire.