Schlafen ohne zu wandeln

betr.: Buch und Hörbuch „Die Schlafenden“ von Anthony Passeron

1981 taucht eine Lungenkrankheit in den USA und Frankreich wieder auf, die als ausgerottet galt. Alle Erkrankten sind homosexuell. Als sich andere Syndrome dazugesellen, z.B. ein seltener Hautkrebs, spricht man bei der auslösenden Immunschwäche von GRID (Gay Related Immune Disease) bzw. „Schwulenkrebs“. Später bekommt die Krankheit einen offiziellen Namen: AIDS. Die Familiengeschichte des Erzählers wird sich mit diesen Ereignissen kreuzen: 1983 bricht Desiré aus der Metzgerei seiner Eltern und dem erstickenden Mief seines kleinen südfranzösischen Dorfes in die weite Welt auf. Er ist der Intellektuelle und verhätschelte Erstgeborene der Familie, während sein Bruder Émile – der Vater des Erzählers – von klein auf das Metzgerhandwerk lernen muss. Als Desiré zu seiner Familie zurückkehrt, ist er heroinabhängig. Und unheilbar krank …

Der Titel „Die Schlafenden“ bezieht sich auf die AIDS-Krise, von der der Roman mit dokumentarischer Präzision erzählt. Doch er verhandelt ebenso fesselnd die Befindlichkeiten, Konflikte und Perspektiven seiner Figuren. Die hat der Autor dem Schweigen seiner Familie entreißen müssen, denn sein leichtlebiger Onkel, der früh verstorbene Desiré hat nicht nur die in ihn gesetzten Hoffnungen enttäuscht, sondern auch die geltenden  provinziellen Moralbegriffe verraten.

Einen eigenen Stil hat Anthony Passeron leider nicht, doch „Die Schlafenden“ ist ein großartiger Text. Die Lesung von Valentin Richter (Regie: Ulrich Lampen) steht in der ARD Audiothek und ist lediglich passabel, aber aus inhaltlichen Gründen ein dringender Hörtipp.

Dieser Beitrag wurde unter Gesellschaft, Hörbuch, Literatur abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert