Furchtbar viel Musik

Zum Tode von Richard M. Sherman

Richard M. Sherman hat auf die Frage, welcher seiner Disney-Filme ihm der liebste sei, geantwortet: „Das Dschungelbuch“ – und er beeilte sich, hinzuzufügen, er sage das nicht, weil er 2007 gerade für eine Wiederaufführung dieses Films zu werben hatte. Zu der hochkarätigen Mannschaft, mit der er hier zusammenarbeitete, gehörten Animatoren, die schon an „Schneewittchen“ und „Pinocchio“ mitgewirkt hatten, und sogar Walt Disney war zu Beginn noch mit dabei – wenn er sich auch zuletzt hauptsächlich für seine Vergnügungsparks interessierte.

Richard und sein drei Jahre älterer, 2012 verstorbener Bruder Robert B. hatten in den späten 50er Jahren als Songschreiber in der Popbranche gearbeitet. Die damals 16jährige Annette Funicello, die Interpretin ihres Rock’n’Roll-Titels „Tall Paul“, war im „Mickey Mouse Club“ als „Disney-Mouseketeer“ bekannt geworden. Walt Disney war stolz auf ihren Erfolg und verfolgte ihre Karriere so aufmerksam, dass ihm noch weitere Sherman-Songs wie „Pineapple Princess“ und „Jo-Jo the Dog Gaced Boy“ zu Ohren kamen. Die musikalische Komödie „The Parent Trap“ (nach Erich Kästners „Das doppelte Lottchen“) war die erste Produktion, bei der er die jungen Künstler einsetzte, die gemeinsam an Text und Musik arbeiteten – mit Richard am Klavier und Robert als dem Erfinder der ersten Worte.

Disney übergab den beiden ein Buch und sagte: „Lesen sie das, und erzählen sie mir, wie Sie es finden!“ Die ersten musikalischen Skizzen, die ihm die Brüder dazu vorlegten, soll er mit dem Angebot beantwortet haben, ihn fortan nicht mehr Mr. Disney, sondern Walt zu nennen.
Das Ergebnis sollte „Mary Poppins“ werden, Disneys letztes „persönliches“ Filmprojekt, das 1965 mit zwei Musik-Oscars ausgezeichnet wurde.

Ausgerechnet der beliebteste Dschungelbuch-Song „The Bare Necessities“ („Probier’s mal mit Gemütlichkeit“) stammt nicht von den Shermans. Es ist der einzige übrig gebliebene Titel aus der ersten Fassung, die Disney missfiel. Die Ehre, ihn komponiert zu haben, gebührt Terry Gilkyson.
Richard Sherman erzählt: „Gilkyson wurde durch die Oscar-Nominierung für sein Lied versöhnt und hat später auch für die ‚Aristocats‘ einen Song geschrieben. Drehbuchautor Bill Peet aber war tief getroffen: Walt war zu beschäftigt gewesen, um sich in der Frühphase um ‚Dschungelbuch‘ zu kümmern, und er gab Peet, der zuvor mit ‚101 Dalmatiner‘ einen Riesenerfolg geschrieben hatte, zunächst freie Hand. Als Walt dann die Ergebnisse ablehnte, hat Peet sofort gekündigt.“

Nach Disneys Tod arbeiten Richard und Robert noch die Projekte ab, die sie aus der Hand des Chefs empfangen hatten, doch später versiegten die Angebote des Studios. Im Alter hatten sie die Freude, die Wiedergeburt ihrer Filmmusicals auf der Bühne mitzuerleben, darunter auch „Chitty Chitty Bang Bang“, das die James-Bond-Produzenten nach einem weiteren Buch ihres Erfolgsautors Ian Fleming auf die Beine gestellt hatten.

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