Rampenlicht aus!

betr.: 63. Jahrestag des Drehschlusses von „Limelight“

Die Klage ist bekanntlich des Künstlers Gruß.
Meine persönliche Lieblingsklage lautet: „Ich bin als hochbegabtes Kind nie richtig gefördert worden!“ (Man möge mir das darin aufschimmernde Eigenlob verzeihen – Begabung ist in meinem heutigen Alter nicht viel wert, wenn über die Jahre nicht einiges Handwerk dazugekommen ist.)
Meine Erziehung hatte mir immerhin so viel Unsicherheit eingeimpft, dass ich der Meinung war, ich müsse eine Schauspielausbildung machen, um Kabarettist werden zu können. (Heute würde ich vermutlich eine Musical-Ausbildung vorziehen, aber ein solches Angebot existierte vor 30 Jahren in der saarländischen Provinz noch nicht.) Das war reichlich übertrieben – schließlich wollte ich ja kein Schauspieler werden, sondern ein Komiker, der der in Selbstverwaltung seine eigenen Texte vorträgt, aber ich sehnte mich nach einer Art Segen von oben. Außerdem gefiel mir schon immer die Idee einer handwerklichen Grundlage.

In letzter Sekunde meldete ich mich zur nächsten Aufnahmeprüfung bei der „Musikhochschule des Saarlandes“, an der damals (quasi als Wurmfortsatz) eine Schauspielschule befestigt war.
Für das, was dort erwartet wurde (z.B. die Kenntnis der klassischen Theaterliteratur), fehlte mir jede Voraussetzung, aber das war ja schließlich einer der Gründe, warum ich mich in die Hände von Spezialisten begeben wollte. Ich liebte doch die Bühne und sah in ihr den einzigen Ort, an dem ich in der Lage sein würde, zu überleben.
Die einzige Berührung mit der Schauspielkunst hatte ich bisher als (allerdings ergebener) Filmfan genossen. Ich dachte, es könnte sinnvoll sein, zum Vorsprechen etwas aus dem Theatermilieu (Chaplins „Limelight“) und von Orson Welles bzw. Graham Greene („Der Dritte Mann“) vorzubereiten. Eine befreundete Kollegin vom Saarländischen Landestheater, die wunderbare Madeleine Giese, riet mir als klassische Ergänzung zu einem kleinen Monolog aus dem „Eingebildeten Kranken“.

Dann kam der große Tag.
Die Räumlichkeiten der Hochschule wurden renoviert, und so wurde die Prüfung an einen anderen Ort verlegt, der sich allerdings auch im Stadium einer Baustelle befand.
Ich ließ mich als Letzter von der Jury aufrufen, was mir die Möglichkeit gab, das Verhalten der Mitbewerber zu studieren. Die Sache lief – soweit durch die geschlossene Tür wahrzunehmen – immer gleich ab. Nachdem der Prüfling den Raum betreten hatte, herrschte erst einmal Stille. Nach drei Minuten hörte man ihn oder sie mit gehobener Stimme sprechen. Das steigerte sich zu einem Geschrei, das nach einer Weile plötzlich abbrach. Dann wieder Stille. Kurz darauf kam der Interpret rechtschaffen ermüdet und schweißgebadet wieder heraus.
Mir dämmerte schon: ich hatte vergessen, einen Urschrei in mein Material einzubauen.
Endlich betrat ich diesen Raum. Er war abgedunkelt, aber dennoch entdeckte ich ein paar bemerkenswert grimmige Gesichter. Nun gut – der Tag war lang gewesen, und es hatte bekanntlich viel Geschrei gegeben. Außerdem litten vermutlich auch die Juroren unter der mörtelbekleckerten Trümmerkulisse.
Ich gab meinen Molière zum Besten und verärgerte das Tribunal schließlich noch mit meiner Durchhalterede des alten Clowns aus dem Chaplin-Film.
Das Ergebnis überraschte mich nicht.
Es war nicht unbedingt ein Fehler, mich abzuweisen – da hatten die Herrschaften sicher ihre Gründe. Den weltmüden Spott, der aus ihrer Begründung klang, empfinde ich allerdings noch heute als kläglich. Es sei klar, dass aus mir nichts werden könne, da ich davon ausginge, im Film so etwas wie Schauspielerei vorfinden zu können, meinte einer der Herren, der Leiter einer saarländischen Bühne. Der Direktor der Schauspielabteilung, ein greiser, von abendländischer Feierlichkeit geschwelter Urning, verriet mir auch, woran er meine mangelnde Eignung – „mal unter uns“ – sogleich erkannt habe, schon während der Pausen im Tagesverlauf: Niemand, der einen Walkman auf den Ohren hätte, beschämte er mich, könne jemals ein Schauspieler sein.

Ich wankte traurig ins Freie, setzte ganz automatisch den Walkman auf, noch ehe ich die eben gehörte Warnung erinnern und befolgen konnte, und freute mich auf den nächsten Hüsch-Abend im Großen Sendesaal auf dem Halberg. Kabarettist wollte ich immer noch werden.

Dieser Beitrag wurde unter Monty Arnold - Biographisches abgelegt und mit , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

3 Antworten zu Rampenlicht aus!

  1. John sagt:

    Primy Monty,
    auch mal was eigenes unterzubringen und gut, dass Du Dich von dem vorbeschriebenen Spezialisten nicht hast vom Weg abbringen lassen.
    John

  2. Edeltraud Bartzen sagt:

    Schließe mich John an und wünsche Dir, Monty, weiterhin viel Ausdauer!
    Übrigens: Deine Comics gefallen mir sehr!
    Lucie

  3. Pingback: Die wiedergefundene* Textstelle: "Späte Zeit" - Monty Arnold blogt.Monty Arnold blogt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert