Spione ringsum!

betr.: 84. Geburtstag von John le Carré

So poppig und exotisch das Agentenkino des Kalten Krieges auch heute auf uns wirkt – mit seinen Technicolor-Farben, den schicken Anzügen, Longdrinks, exotischen Schauplätzen und Girls und swingenden Soundtracks – es geht auf Bücher zurück, die von Insidern geschrieben wurden.
Der Star unter diesen Autoren, John le Carré, hat ebenso für den Geheimdienst gearbeitet wie W. Somerset Maugham, der diese Literaturgattung entscheidend geprägt hat, und natürlich Ian Fleming, der nicht der literarisch wertvollste war, dem wir aber neidlos den größten Helden dieses Segments der Popkultur zugestehen müssen: James Bond. Eric Ambler wiederum, der „Erfinder des Politthrillers“, soll so realistisch geschrieben haben, dass er vom britischen Foreign Office um weitere Auskünfte gebeten wurde.
Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen als Glaubenskriege verbrämten Massaker kann einem auch der wirkliche Kalte Krieg wie eine sportliche Auseinandersetzung einiger Gentlemen vorkommen.

Es fällt auf, wie viel die Briten zur kulturellen Aufarbeitung des Spionage-Themas beigetragen haben, als Autoren und Filmemacher.
Schon in der Zwischenkriegszeit bereitete der junge Alfred Hitchcock den Boden für 007 und seine Nachahmer, die nach Ende des Zweiten Weltkriegs dringend gebraucht werden sollten. 1935 schuf er den Klassiker „Die 39 Stufen“, der knapp 25 Jahre später in einem weiteren perfektioniert werden sollte. „North By Northwest“ wartet nicht nur mit einer Reihe von legendären Filmsequenzen auf – allen voran das Flugzeug, das Cary Grant durch ein Maisfeld jagt – er lieferte auch den Schnittmusterbogen für die drei Jahre später startende und bis heute erfolgreiche James-Bond-Reihe.
Ein weiterer dieser Agententhriller, die Hitchcock den Weg nach Hollywood ebneten, war „Secret Agent“, auch von 1935. Für die Titelfigur, den schriftstellernden Agenten Richard Ashenden, ist er gleichwohl kritisiert worden: ein Agent, der partout keiner sein will, bietet dem Publikum wenig Identifikationsmöglichkeiten. Heute können wir in ihm den Vorläufer späterer Spione wider Willen erblicken, für Harry Palmer zum Beispiel, jenen James-Bond-Nachzügler, den Michael Caine in einer kurzen Reihe von Filmen verkörpert hat.
„Der haarlose Mexikaner“ und „Der Verräter“, die beiden Erzählungen, die „Secret Agent“ zugrundeliegen, stammen aus der Ashenden-Reihe des o.g. W. Somerset Maugham. Der war ein derart weitgereister und schwer geprüfter Mann, dass seine Leserschaft in besonderem Maße verleitet war, seine Romane für autobiografisch zu halten. Nichtsdestotrotz kann er sich als Geheimnisträger Ihrer Majestät nicht nur auf die Wahrheit beschränkt haben.

Die Geschichte des Filmtitels ist so verworren, dass man sie nicht schöner hätte erfinden können: Ein Jahr nach „Secret Agent“ realisierte Hitchcock die Verfilmung einer Erzählung von Joseph Conrad, die tatsächlich „The Secret Agent“ hieß. (Das ist ein Stoff, der auf die heutigen traurigen Zustände verweist: es geht um Terrorismus, und der Film beinhaltet die Darstellung eines Bombenattentats, die mächtig Furore machte …)
Da der Titel „Secret Agent“ nun schon vergeben war (zumindest in England und den USA – die Franzosen hatten ihn sich aufgehoben), nannte Hitchcock seine Conrad-Verfilmung „Sabotage“ und bereitete so den Boden für zahllose Verwechslungen mit einem Film, den er einige Jahre später in den USA drehte: „Saboteur“ (bei uns „Saboteure“).
„Secret Agent“ wurde erst 1985 für das Fernsehen synchronisiert (- auf dem schauerlichen Niveau, das bei TV-Bearbeitungen solch alter Filme damals üblich war). Der deutsche Titel „Geheimagent“ vermeidet ebenso wie der Originaltitel den Artikel, aber daran hält sich längst nicht jedes Nachschlagewerk.* Eine TV-Zeitschrift nannte ihn einmal versehentlich „Geheimagenten“ – was noch treffender ist.

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* Eines davon ist das dennoch sehr empfehlenswerte „The Great Spy Pictures“ von James Robert Parish und Michael R. Pitts. Bereits 1974 bei „The Scarecrow Press“ erschienen, umfaßt es die entscheidenden Jahre des klassischen cold war cinema.

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