Als Volksverarschung noch Mühe machte: Fake News im Dritten Reich

betr.: 70. Jahrestag der Uraufführung des Dramas „Des Teufels General“* im Zürcher Schauspielhaus

Anfang Dezember 1941 wurde der Emigrant Carl Zuckmayer in seiner neu bezogenen Farm in Vermont eingeschneit, war zeitweise ohne Strom und Telefon und – wie es dann immer so schön heißt – von der Außenwelt abgeschnitten. Er verpasste auf diese Weise den Angriff auf Pearl Harbour und den Kriegseintritt der USA in den nunmehrigen Weltkrieg. Kurz zuvor war in den amerikanischen Zeitungen eine kurze Notiz erschienen, dass Ernst Udet, Generalluftzeugmeister der deutschen Luftwaffe, bei der Erprobung eines neuen Flugzeuges tödlich verunglückt und mit einem Staatsbegräbnis beerdigt worden sei. Kommentare oder Mutmaßungen über seinen Tod fehlten. Seitdem mußte Zuckmayer immer wieder an das letzte Gespräch mit seinem Freund Udet denken, das sich 1936 bei einem gewagten heimlichen Besuch in Berlin zugetragen hatte. Damals sagte Udet zu ihm: „Schüttle den Staub dieses Landes von deinen Schuhen! Geh in die Welt, und komm nie wieder! Hier gibt es keine Menschenwürde mehr!“ Und als Zuckmayer fragte: „Und du?“ antwortete Udet: „Ich bin der Luftfahrt verfallen. Ich kann da nicht mehr raus. Aber eines Tages wird uns alle der Teufel holen!“

udet-staatsbegraebnisSchade, dass Fake News heute so wenig Aufwand verursachen. Die Nazis mussten für ihre Propaganda noch richtig schuften. Großes Kino in der NS-Wochenschau zu den Begräbnisfeierlichkeiten für den abtrünnigen Ernst Udet.
Im Bericht der NS-Wochenschau über das Ereignis wurde der Selbstmord des deutschen Idols mit diesen Worten verklärt: „Abschied von Generaloberst Ernst Udet. Ritterkreuzträger halten die Ehrenwache am Sarge des heimgegangenen Generalluftzeugmeisters, der sich um den Aufbau der Deutschen Luftwaffe unvergängliche Verdienste erworben hat. Der Führer betritt den Ehrensaal des Reichsluftfahrtministeriums. – Der Führer drückt der Mutter sein Beileid aus. – Der Reichsmarschall spricht zum letzten Male zu seinem alten Kampfgefährten. In seiner Rede nennt er ihn ’seinen besten Kameraden‘, der durch seine Taten unsterblich geworden sei. Er werde immer zu den größten Helden Deutschlands zählen. In seinem Lebenswerk hinterlasse er uns ein Erbe, das die Zukunft mitgestalten werde.“

Selbstverständlich konnte Zuckmayer diese Berichterstattung nicht verfolgen, aber das Wort „Staatsbegräbnis“ ließ ihn angesichts der Erinnerung an die letzte Begegnung und das Rätsel um Udets Tod nicht mehr los. Er ahnte eine Tragödie, deren Wahrheitsgehalt sich erst später herausstellen sollte.
Zuckmayer hatte lange keine Zeile mehr geschrieben, aber im folgenden Winter begann er das Drama „Des Teufels General“. Das Wort „Staatsbegräbnis“ war das erste, das er aufschrieb, und es sollte das letzte im Stück sein.

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* Neben der häufig gezeigten Verfilmung von Zuckmayers größtem Erfolg nach dem Kriege mit Curd Jürgens gibt es auch den TV-Mitschnitt einer Theateraufführung. Der seinerzeit beliebteste deutsche TV-Moderator, Hans-Joachim Kulenkampff, spielte die Hauptrolle. Der Mitschnitt wurde von einem erkrankten Zuschauer komplett verhustet.

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