Die wiedergefundene Textstelle: „Für alle Fälle Fitz“ – Ein Verhör

betr.: 67. Geburtstag von Robbie Coltrane

„Für alle Fälle Fitz“* von Jimmy McGovern machte den Komödianten Robbie Coltrane vor einem knappen Vierteljahrhundert zum berühmten Charakterschauspieler, und er selbst – so wurde es jedenfalls verbreitet – beendete die Serie mit der Begründung, er fürchte, die Qualität der Drehbücher würde sich nicht halten lassen. Er ließ sich noch zu zwei „Fitz“-TV-Specials überreden, die seine böse Ahnung bestätigten.
Das ZDF brachte seinerzeit eine Soundtrack-CD heraus, die mit kurzen Dialogsequenzen aus der Serie durchsetzt war.
Der folgende Dialog aus dem ersten Fall „Mord ohne Erinnerung“, in der der berüchtigte, lasterhafte Profiler Dr. Fitzgerald ein Verhör durchführt, war nicht auf der CD. Sein Gegenüber wird verdächtigt, eine Studentin in einem Zug grausam abgeschlachtet zu haben, kann sich aber an nichts erinnern.

.       Dr. Fitzgerald: Man nennt mich Fitz – und wie werden Sie genannt?
.       Kelly: Das weiß Ich nicht.
.       Dr. Fitzgerald: Blutrünstiger, mordgieriger Bastard. – Wissen Sie noch, ob Sie das ausgefüllt haben?
.       Kelly: Ja.
.       Dr. Fitzgerald: Wer ist der Premierminister?
.       Kelly: Weiß ich nicht, da müsste ich raten.
.       Dr. Fitzgerald: Falsch geraten. Ich gab Ihnen drei Möglichkeiten, und Sie haben den Falschen gewählt.
.       Kelly: Tut mir leid.
.       Dr. Fitzgerald: Ist verständlich, kann vorkommen. Der Präsident der USA, drei Möglichkeiten, wieder die falsche Antwort.
.       Kelly: Tut mir leid.
.       Dr. Fitzgerald: Muss es nicht. Ist verständlich. Wirklich. – Der Führer der Labour Party, von drei Möglichkeiten die falsche, auch bei der Berechnung der Einkommensteuer von drei Möglichkeiten die falsche, der Finanzminister, der Trainer des englischen Fußballteams, der Autor von „Catch-22“, die Hauptstadt von Schweden – alles falsch.
.       Kelly: Tut mir leid.
.       Dr. Fitzgerald: Das wird Ihnen aber noch leidtun. Sehen Sie, das ist nun wirklich unglaubwürdig. Wenn Sie die Augen schließen und blind ankreuzen, würden Sie mindestens zwei Fragen richtig beantworten.  Die Chance, alles falsch zu beantworten, ist äußerst gering.
.       Kelly: Sie denken, dass ich das absichtlich gemacht hätte.
.       Dr. Fitzgerald: Ja.
.       Kelly:  Hab ich nicht.
.       Dr. Fitzgerald: Ist ja egal. Niemand verliert wirklich das Gedächtnis. Es wird nur eingesperrt wie eine verrückte Frau im Speicher, und wenn gelegentlich Schreie durchdringen, tut man so, als hätte man sie nicht gehört, um nicht nachsehen zu müssen. Stimmt’s?
.       Kelly: Es gibt viel Traurigkeit in Ihrem Leben.
.       Dr. Fitzgerald: Das Verbrechen, das Sie da begangen haben, ist – gemessen am Lauf der Dinge – gar nichts. Das ist Natur. Die Natur weiß, dass Männer in Frauen eindringen müssen. Sonst würde die Spezies aussterben. Wenn so viel auf dem Spiel steht, fragt die Natur nicht, wie wir es tun, ob wir „bitte“ oder „danke“ sagen. Und ob sie auch willig ist. Sexualverbrechen ist, wenn wir das, was die Natur fordert, bis zum Exzess treiben, das gehört dazu. Gesunde Aggression, die nur ein bißchen zu weit geht. Ich will damit sagen, ich versteh‘ das. Ja!
.       Kelly: Ja.
.       Dr. Fitzgerald: Natürlich wird man Sie dafür kreuzigen. Wissen Sie, warum?
Weil Sie genau das getan haben, was alle in ihrem tiefsten Herzen gern schon mal getan hätten: jemanden umbringen, ermorden, vergewaltigen. Die blicken Sie an, schauen dabei gleichzeitig in ihr eigenes Herz, und sind von dem, was sie sehen, entsetzt! Man wird Sie kreuzigen aus Furcht. Nicht wegen Gerechtigkeit, Anständigkeit oder dergleichen, aus Furcht vor sich selbst.
.       Kelly: Da kann ich Ihnen nicht zustimmen.
.       Dr. Fitzgerald: Sie gehen im Zug den Gang entlang, kommen an ihrem Abteil vorbei. Sie sitzt da drin – jung, hübsch, allein, verwundbar – genauso, wie’s ’ne junge Frau sein sollte. Sie liest ein Buch. Durch die gekreuzten Beine ist der Rock hochgerutscht, und man sieht ein Stück Oberschenkel – warmen, weichen, weißen, glatten Oberschenkel. Sie machen die Tür auf.  Ihre Augen zucken, aber sie schaut nicht von ihrem Buch auf.  Sie setzen sich ihr gegenüber und sehen sie an. Sie spürt, wie sie angestarrt wird, sie vertieft sich noch mehr in ihr Buch. Doch Sie wissen genau, dass sie nicht mehr liest. Ihre Beine schaukeln im Rhythmus des Zuges, und Sie möchten Ihre Hand auf diese weißen, weichen beine legen. Um sie ruhigzustellen. Wenn Sie es tun würden, würde sie Sie ansehen und lächeln. Und sie würde es wissen, würde es einfach wissen.
Sie stehen auf und öffnen das Fenster, und Ihre Beine streifen die des Mädchens, wobei vielleicht noch ein bißchen mehr Haut frei wird. Jetzt setzen Sie sich neben sie, wollen ihr näher sein, und plötzlich riechen Sie ihr Parfum. Das Blut pumpt durch ihre Kehle, und das kleine silberne Kreuz bewegt sich an ihrem Hals auf und ab, reflektiert ein wenig Licht. Sie ist alles, was eine Frau sein sollte: allein, verwundbar.
Sie sagen etwas. Sie schaut von ihrem Buch auf, antwortet Ihnen mit ja oder nein und liest weiter in ihrem Buch. Sie hat Ihnen einen Korb gegeben.
Sie hat Sie abgewiesen, so wie alle Frauen Sie immer abgewiesen haben! Und nun werden Sie’s ihr zeigen! Das monotone Zuggeräusch hämmert Ihnen ein: bring die Schlampe um, bring sie um, bring sie um, bring sie um, alle sind sie Schlampen! Eine wie die andere! Mit ihren feisten Schenkeln und der weißen, glatten Haut an Schultern und Hals. Aber da drunter, da fließt ihr Blut, ist verfilztes Haar und Gestank, Haare, die schon seit Monaten nicht mehr gewaschen sind!
Ja, bring die Schlampe um, bring sie um, bring sie um, bring sie um, schaff sie aus der Welt! Na, war’s nicht so?
So war’s doch!
Oder?
.       Kelly: Sie sind es, der den Psychiater braucht.

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* Siehe dazu https://blog.montyarnold.com/2015/03/30/auch-noch-dick/

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