Die wiedergefundene Textstelle: Das Böse nebenan

betr.: 57. Jahrestag der Veröffentlichung der Erzählung „To Kill A Mockingbird“ von Harper Lee

Harper Lees Roman „Wer die Nachtigall stört“, zwei Jahre nach Erscheinen erfolgreich verfilmt, ist ein aktuelles Buch geblieben, da leider auch der darin thematisierte Rassismus in den USA noch immer zu unserer Welt gehört. Die Autorin blieb ein literarisches One-Hit-Wonder. Ein Jahr vor ihrem Tode erschien ein wiedergefundenes zweites Skript, eine 1957 bei einem anderen Verlag eingereichte frühere Form der Geschichte, die jedoch 20 Jahre nach der finalen Fassung spielt. Harper Lee saß längst im Altersheim, und es wurde darüber spekuliert, ob sie mit dieser „literarischen Sensation“ überhaupt einverstanden sei …

Der folgende kleine Monolog, in dem die Vorurteile der Erwachsenen von den Kindern unbewusst in einer Art-Rassismus-Larvenstadium kopiert werden, wird von Dill Harris gehalten. Das ist ein etwas merkwürdig aussehender Junge, dessen Charakter auf Truman Capote anspielt. Der große Erzähler Truman Capote und Harper Lee waren Jugendfreunde, die einander auch bei der schriftstellerischen Arbeit unterstützten.

Der Alte ist der böseste Mann, der jemals gelebt hat! Warum? Einfach deshalb!
Er hat einen Sohn namens Boo. Den hat er bei sich im Haus mit einer Kette gefesselt.
Da drüben, da wohnt er!
Boo darf nur nachts heraus, wenn wir schlafen und die Straßen stockdunkel sind. Manchmal, wenn du`s Fenster aufmachst, kannst du ihn hören!
Einmal hat er bei uns an der Haustür gekratzt, aber als Atticus aufmachte, war er weg.
Er ist – nach den Fußspuren zu urteilen – zwei Meter groß und sicher vierzig Jahre alt. Er isst Eichhörnchen und Katzen, die er nachts fängt und schlingt alles roh herunter, sagen die Leute.
Er soll eine Narbe über`s Gesicht haben und weiße Haare und gelbe Zähne und ganz große und faulige…und die Augen stehen raus … und die ganze Zeit döst er vor sich hin.

 

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