Die schönsten Comics, die ich kenne (18): „Langsam laufende Frauen“

„Langsam laufende Frauen“* aus der Comicstrip-Serie „Dilbert“ von Scott Adams (c.a. 2001-03), Vertrieb durch United Feature Syndicate, zuletzt erschienen in der F.A.Z.-Buchreihe „Klassiker der Comic-Literatur“, Band 17: „Dilbert“, 2005

Die Überlegenheit des weiblichen Geschlechts hat jahrhundertelang Philosophen wie Künstler umgetrieben und zahllose Gesellschaftssysteme aus gekränkter männlicher Eitelkeit in die Misogynie abrutschen lassen. In zivilisierteren Zeiten und Breiten ist der Mann der Gegenseite entsprechend schutzlos preisgegeben. Er rettet sich in Bonmots („Eine dicke Frau ist mir eindeutig lieber als ein dicker Mann“, meinte Thomas Gottschalk) oder fügt sich wacker in die Pflicht der Arterhaltung („Ich unterhalte mich lieber mit Ihnen, als wenn Sie ein Mann wären“, gestand Hellmuth Karasek einer Interviewerin). Orson Welles wurde besonders deutlich: „Männer brauchen Frauen um sich, sonst verfallen sie unweigerlich der Barbarei“, pflegte er in Interviews schon mal zu sagen – besonders gern, wenn wenn er eine Dame vor sich hatte. Sogar die a priori auf Härte ausgerichtete Rockmusik läuft in ihren Männer-Chansons zu voller Larmoyanz auf. Herbert Grönemeyer lässt die Herren der Schöpfung „wie blöde“ „baggern“ und „‘n Herzinfarkt“ kriegen, James Brown rühmt sie für die Konstruktion von Autos und Eisenbahnen, mit denen sie der Welt ihr Tempo aufzwingen möchten. Doch die Damen haben längst begriffen, dass wir umso weniger Zeit haben, je schneller wir vorwärts kommen: Sie bremsen die Macker erbarmungslos aus. Und das nicht nur, wenn sie am Steuer sitzen. (Achten Sie nächstes Mal beim Joggen darauf!)

„Langsam laufende Frauen“ ist ein Comic von Scott Adams, der diese Demütigung ohne das Altherrengehüstel oder die Heulsusigkeit der genannten Beispiele verhandelt. Er lässt sie seinem Helden Dilbert widerfahren, einem insgesamt schwer geprüften Charakter. Dilbert ist ein hochqualifizierter Büromensch, dessen perspektivloses Siechtum von Patrick Bahners so beschrieben wurde: „Hätte Charlie Brown erwachsen werden dürfen, hätte er Dilberts Leben führen müssen.“

In dieser Geschichte wird der Kampf der Geschlechter auf seinen archaischen Kern heruntergebrochen. „Langsam laufende Frauen“ versperren in einem Firmenflur dem eiligen Kollegen den Weg. Jeder arme Teufel, der jemals in eine solche Situation geraten ist (Gerhart Hauptmann – noch so ein armes Macho-Würstchen – jammerte einmal, das Weib behindere „seinen Adlerflug“), der weiß um die weibliche Fähigkeit, sich instinktiv so fortzubewegen, dass niemand passieren kann, obwohl der Platz dazu allemal ausreicht – besonders wenn die Damen zu zweit sind. Aber selbst eine einzelne zierliche Person versteht es, allein durch ihre präzise Verankerung im Zentrum und eine gleitende, schlenkernde, leicht rotierende Motorik eine fidele Blockade zu erzeugen. Das gilt nicht nur für Flure und Rolltreppen sondern auch für Bürgersteige und andere öffentliche Wege.

Dieses in der Natur aussichtslose Dilemma endet in der Kunst ungewohnt erfolgreich. Der Autor reicht sogar die Hand über den Graben. Es ist eine loyale Kollegin, die Dilbert schließlich aus der Patsche hilft.

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* Die Episoden dieser Comic-Reihe haben keine Titel. Dieser hier wurde aus dem Dialog generiert.

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