betr.: 95. Jahrestag des Sendebeginns des BBC-Radioprogramms
Nach meiner Erinnerung machten erst ihre Kinofilme die Komikertruppe Monty Python hierzulande zu einem Begriff. Der erste dieser Filme war eine Remake-Montage ihrer Fernseharbeit, die hergestellt worden war, um ihren Humor dem US-Publikum zu erschließen. Danach liefen bei uns auch ein paar untertitelte Folgen von „Monty Python’s Flying Circus“ im Dritten Programm. (Bereits Anfang der 70er Jahre hatte der Entertainment-Feinschmecker Alfred Biolek zwei Episoden lang vergeblich versucht, mit dem Team ein Format fürs deutsche Fernsehen zu produzieren, in dem er sogar selbst mitspielte.)
Ich hatte mir die Serie nur flüchtig angesehen, erst im reiferen Alter lernte ich die Kunst dieser famosen Komiker wirklich zu schätzen. Ich fand den Look etwas zu müllig (was ich heute nicht mehr nachvollziehen kann). Auch wurde meinem jungen Herzen im deutschen Fernsehen trotz der noch sehr beschränkten Sendezeiten offenbar so viel „Show“ geboten (ich gebe zu, das klingt heute grotesk), dass ich den „Flying Circus“ zwar als wegweisend anerkannte, aber nicht von Herzen liebte.
Meine erste tiefergehende Monty-Python-Erfahrung geschah im Rahmen eines Komikerworkshops, den die frisch gegründete Unterhaltungsredaktion des Privatsenders ProSieben Mitte der 90er in München veranstaltete. Wir schrieben und produzierten dort kurze Filmchen, aber hauptsächlich ging es ums gegenseitige Kennenlernen und um die Findung einer Kerntruppe, die später im ersten eigenen Comedy-Format des Senders zusammenwirken sollte. Es gab auch kurze Seminarprogramme – nicht nur für uns Ausführende, auch die Redaktion war ja frisch und unverbraucht. Aus England besuchte uns Ian McNaughton, der als „der Regisseur“ von Monty Python“ annonciert wurde (eine fröhliche Übertreibung). Außerdem lief ein kleiner, kauziger Bursche namens Braukmann herum, der oft und gern die Formel in seine Rede einstreute: „Wir ham ja damals Monti Peiten nach Deutschland gebracht …“ – ich habe nie erraten, was er mit „wir“, „damals“ und „gebracht“ meinte.
Bei unserer Arbeitswoche in der Münchner Werkstatt jedenfalls war „Monty Python’s Flying Circus“ als wichtigster Leitstern allgegenwärtig. Mr. McNaughton hielt einen Vortrag, beantwortete Fragen, führte ein wenig Regie bei unseren Sketchversuchen, und es gab sogar einen Filmabend mit Python-Sketchen. Bei einem davon bekam ich den längsten Lachanfall, den ich je außerhalb einer Privatwohnung erlitten habe: Premierminister Chamberlain kehrt aus Berlin zurück, wo er mit Hitler das Appeasement-Papier unterschrieben hat, und soll nun von der Wochenschau dabei gefilmt werden, wie er siegreich die Gangway herunterkommt. Die Mühsal, eine simple Sache so oft zu wiederholen, bis das Kamerateam zufrieden ist, hat ja auch Loriot später mehrmals zur allgemeinen Erheiterung thematisiert. So komisch hatte ich das allerdings noch nie gesehen. – Trotz meines prustenden Gegackers im Angesicht ausländischer Gäste wurde ich in das feste Team mit aufgenommen.
Wenige Monate später fand ich mich in einer idyllisch gelegenen Almhütte wieder, um mit meinen Kollegen Comedy zu schreiben und zu verfilmen. Eine Dorfbewohnerin begrüßte uns mit den Worten: „San’s ihr die vom Fuim?“
Unsere neunköpfige (!) Komikermannschaft enthielt nicht nur hauptberufliche Kabarettisten und Comedians, sondern auch Schauspieler (die seitens der Redaktion den größten Respekt genossen) und einen Messe-Zauberer. Jedenfalls wurde uns zu Inspirationszwecken eine große Videothek zusammengestellt, in der wir die Arbeit unserer Vorfahren studieren konnten. Neben dem „Flying Circus“, „French & Saunders“ oder „Saturday Night Live“ gab es auch jede Menge solide Hausmannskost: „Harald und Eddi“, „Sketchup“, „Loriot“ (1) bis (6) und sämtliche Abenteuer von Ekel Alfred. Als ich mir Jahre später die Shows von Monty Python und verschiedene Klassiker nach und nach anschaute, merkte ich, mit welchem historischen Bewusstsein wir vorgegangen waren. Einiges von dem, was nicht in unserer Sendung oder zumindest in unseren Drehbuchkonferenzen wieder aufgeblitzt war, konnte ich später bei „RTL Samstag Nacht“ sehen – auch die Kölner Kollegen besaßen offenbar einen Videorecorder.
Das Leben und Wirken auf dem Lande hatte seine schönen Seiten. Unbestritten war es eine anregende Sache, plötzlich die selben Probleme zu haben wie die ganz Großen: Dreharbeiten, die nicht immer so laufen wie man möchte, inhaltliche Diskussionen darüber, was komisch sei und was nicht (was ich als Solo-Kabarettist nicht gewohnt war und auch nie vermisst hatte), die gemeinsame Lesung und Bewertung von fremdem bzw. eingereichtem Textmaterial, das wohlige Gefühl, den kompletten Alltag mit Humorarbeit zuzubringen und von lauter erwachsenen Menschen umgeben zu sein, die das auch tun. Schon die Titelsuche verlief wie sich das gehört. Namensfindungen in der Gruppe sind immer der reine Wachtraum-Horror. In Musikerkreisen kursiert die Weisheit, dass es viel schwieriger ist, einen Titel für ein Album zu finden, als das Album selbst zu produzieren. Bei uns ereignete sich in diesem Zusammenhang etwas, das Michael Palin später über seine Zeit bei Monty Python erzählt hat: er schlug vor, die Sendung „Gwen Dibley’s Flying Circus“ zu nennen, weil es in seinem Heimatort ein Mädchen dieses Namens gegeben hatte. In unserem Falle, war es Martin Schneider, der unser Format aus solchen Erwägungen gerne „Für Monika“ genannt hätte. Von ähnlicher Güte waren auch die übrigen Vorschläge. Dass ich mich sonst an keinen einzigen überhaupt erinnere – auch nicht an meine eigenen! – ist sicher vollkommen in Ordnung.
Nach mehreren unendlich kraftsaugenden Sitzungen übernahm die Redaktion schließlich den Titel für das Format, den schon unser Workshop getragen hatte: „Comedy Factory“, was in uns allen Erleichterung auslöste.
Es gab noch etwas, was uns mit den Kollegen von der BBC verband: auch unsere Sendung wurde in kurzer Zeit immer wieder im Programm hin- und hergeschoben, was es den (potenziellen) Fans schwermachte, uns zu folgen – ein paar taten es trotzdem. Und obwohl es eine prachtvolle Sache war, auf diese Weise Fernseh-Unterhaltung zu machen, verloren einige von uns nach zwei Staffeln die Lust und ließen die übrigen noch eine Saison weiterarbeiten.
Wie bei Monty Python!
Okay, da hören die Vergleiche dann aber auch auf.