Die schönsten Filme, die ich kenne (53): „Deine besten Jahre“

Es ist gut zwanzig Jahre her, da war ich der Meinung, die besten deutschen Filme würden nicht fürs Kino sondern fürs Fernsehen gedreht. Etwa zehn Jahre später dämmerte mir, dass diese Zeit von mir unbemerkt wieder zuendegegangen sein musste.
Die ZDF-arte-Koproduktion „Deine besten Jahre“ entzieht sich dieser Einordnung ohnehin durch die Allgegenwart der hier verhandelten Probleme. Außerdem ist sie so frei von jeglichen Mätzchen, dass man ihre Entstehungszeit am ehesten am Alter der Schauspieler und am Aussehen der Telefone ablesen kann – und sogleich wieder vergisst. Schon einer der ersten Sätze klingt wie von heute: „Der liebe alte Heinrich ist der einzige, der noch richtige Briefe schreibt.“

Vera Kemp (Martina Gedeck) ist eine Firmenerbin, die sich nie mit dieser Rolle auseinandergesetzt hat. Das tut ihr Mann Manfred für sie (der mit allen Wassern gewaschene Tobias Moretti). Nicht nur er verachtet sie still für ihr etwas verblasenes Hobby (die Herausgabe von Bildbänden) und ihre allgemeine Ahnungslosigkeit davon, was in Betrieb und Familie sonst noch vorgeht.
Zu Beginn des Films sind wir ebenso ahnungslos wie sie, doch das Unheil schwelt bereits machtvoll unter den heiteren Bildern einer unbeschwerten Familienfeier, Veras 36. Geburtstag. Alle sind überaus liebenswürdig zu ihr, was mitunter –wir wissen es seit Alfred Hitchcocks „North By Northwest“ – das Grauenhafteste ist, was man uns antun kann.
Nach wenigen Filmminuten beginnen die Menetekel nur so über Vera hereinzubrechen: eine fremde Frau spricht sie auf dem Friedhof an, bei einem Besuch im Familienbetrieb schlagen ihr verdächtige Unterschwelligkeiten entgegen, ihr Sohn, dem ein wichtiger Wettkampf bevorsteht, bedenkt sie mit sprungbereit-herzlosen Äußerungen. Zwei Tage später sind zwei Angehörige tot, und sämtliche Hinterbliebenen behandeln Vera wie einen Störfaktor, dessen man sich rasch und geräuschlos entledigen muss. Als sie beginnt, sich zu wehren, ist es fast zu spät. Doch sie ist nicht ganz allein …

Obwohl es sich hierbei nicht um einen Krimi handelt, liest sich diese Inhaltsangabe etwa so prickelnd wie die Taschenbuch-Rückseite eines Kitsch-Romans. Und Dominik Grafs Statement „Ich wollte eine Figur aus Glas in einer Welt aus Glas schaffen“ ist auch nicht eben vertrauenerweckend. Doch diese Sorgen sind unbegründet.
Dominik Graf hat unzweifelhaft viele großartige Filme gemacht, aber selten zogen er, seine Schauspieler und sein Kameramann so sehr an einem Strang. Und niemals davor oder danach hatte er ein annähernd makelloses Drehbuch zur Verfügung. Es stammt von  Marcus Busch und Bernd Schwamm.

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