Der Tod kommt zweimal

betr.: 18 Jahrestag vom Start der Serie „Die Sopranos“ im ZDF / bevorstehende Adaption der Serie „Die Sporanos“ fürs Kino / Umbesetzungen in TV-Serien 

Der Schauspieler Peter Dinklage, der wegen seiner markanten Statur auch mit Sonnenbrille mühelos auf der Straße erkannt wird, bekommt gelegentlich von den Fans der Serie „Game Of Thrones“ den Satz hinterhergerufen: „Wir hoffen, du stirbst nicht!“ Das spielt auf ein heute alltägliches Phänomen der Serien-Erzählkunst an. Das Publikum muss bei allen Charakteren – auch bei den ganz wichtigen und heiß geliebten – jederzeit darauf gefasst sein, dass sie ihm wegsterben. Inzwischen gehört es zum guten Ton, möglichst oft und (soweit das in der indiskreten Ära des Internets überhaupt möglich ist) unerwartet Helden aus der Geschichte herauszuschreiben.
Naheliegenderweise waren es „Die Sopranos“ (1999-2007), die wegweisende Mafia-Serie der HBO, in der es häufiger als bisher zu Todesfällen im Ensemble kam – angeregt durch das Kino-Epos „Der Pate II“. „Game Of Thrones“, ein noch weitaus brutaleres Sujet, hat diese Disziplin in neue Höhen getrieben.
Kein Wunder, dass sich so viele Passanten um Peter Dinklage sorgen.

In der guten alten Zeit des linearen Fernsehens alterte und starb man möglichst gar nicht. Wenn doch, ließen sich vereinzelte Personalwechsel bei abgeschlossenen Episoden gut überspielen, besonders in komödiantischen Formaten.
Die langlebigen US-Seifenopern* der 80er Jahre mit ihren durchgehenden dramatischen Verwicklungen sahen sich erstmals mit dem Problem konfrontiert, dass sie immer wieder reale Veränderungen der Besetzung in ihren Drehbüchern parieren mussten. Zu Beginn war man dabei noch recht unbeholfen. Als 1980 der „Dallas“-Schauspieler Jim Davis starb, war der von ihm verkörperte Familienpatriarch Jock Ewing zunächst wochenlang verschollen, ehe man ihn auch in der Fiktion sterben ließ. Sein Filmsohn Larry Hagman alias J.R. sah 31 Jahre später das eigene Ende kommen, und so konnte sein Tod in der inzwischen neu aufgelegten Serie auch in der Handlung dramaturgisch effektvoll abgebildet werden.
Bald gönnten sich die TV-Produzenten dieser Seifenopern zum Ende jeder Staffel den einen oder anderen absichtlichen  Cast-Wechsel. Einzelne Figuren kamen nicht aus der Sommerpause zurück – sie waren dann tot, weggezogen oder wurden einfach nicht wieder erwähnt. Gelegentlich gab es zum Saisonfinale auch einen lebensgefährlichen Cliffhanger, von dem niemand wusste, wer ihn überleben würde – auch die Schauspieler nicht. „Der Denver-Clan“ (1981-1989) hat hier wiederholt Akzente für die Ewigkeit gesetzt und sogar das Ende der Serie im Stil einer Vendetta gestaltet.
Solche Ausbootungen hatten nicht inhaltliche, sondern betriebliche Gründe: das  konnte nachlassende Beliebtheit oder eine unverschämte Gagenforderung sein. Es konnte auch passieren, dass der Darsteller nicht mehr mitspielen wollte. Dann hatte er im Herbst entweder stillschweigend ein neues Gesicht oder – in Ausnahmefällen – ein Erlebnis, das sein verändertes Aussehen erklärte.**
Legendär ist eine Geschichte, die im Rahmen von „Falcon Crest“ (1981-1990) passierte. Gina Lollobrigida hatte die Klausel in ihren Vertrag aufnehmen lassen, dass man sie nicht zum Saisonende entlassen dürfe. Als sie beim Publikum nicht den erwarteten Beifall fand, schrieb man sie kurzerhand während der laufenden Staffel aus der Serie heraus. Die Diva hatte das Nachsehen, und die Fans ihren Spaß.

Die ersten horizontal erzählten TV-Serien, in denen der rein künstlerisch motivierte Serientod gepflegt wurde, waren hierzulande große Erfolge. Robert Stromberger ging in „Diese Drombuschs“ (ZDF 1983-1994) noch sehr behutsam zu Werke – in zwölf Jahren gab es unter den Hauptfiguren zwei Trauerfälle und eine folgenreiche Demenzerkrankung. Der um bundesrepublikanischen Realismus bemühte, teilweise geradezu bürokratische Stil des Formates führte allerdings dazu, dass sich diese Schicksalsschläge wie höhere Gewalt anfühlten. Bei „Für alle Fälle Fitz“ (1993-1996, im ZDF 1996-1998) wurde der Tod des hochfahrenden jungen Chefinspektors Bilborough als griechische Tragödie inszeniert. Er blieb nicht das letzte Opfer.
Vieles spricht dafür, dass die Serienmacher von heute das aufmerksam verfolgt haben.

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* Siehe dazu https://blog.montyarnold.com/2014/10/23/ist-eine-soap/
** Siehe dazu https://blog.montyarnold.com/2018/02/21/wie-siehst-du-denn-aus/

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