Die Marvels wie sie wirklich waren: Die Gruft von Graf Dracula (4)

Diese Serie mit Artikeln zur Geschichte der Marvel Comics aus dem Silver Age ist eine Übernahme aus dem Fanmagazin „Das sagte Nuff“ (2005-10). Ich bedanke mich herzlich für die Genehmigung, sie hier wiederzugeben. 

Dracula 
von  Daniel Wamsler
http://dassagtenuff.blogspot.com/ (Fortsetzung vom 29.6.2019)

Dracula 33f
Dracula geht in die Oper … So endete es – vorläufig – im Williams Verlag. Der deutsche Leser musste Jahrzehnte auf die Fortsetzung warten, bis Panini die 12bändige Gesamtausgabe vorlegte (rechts oben eine Ausgabe der Softcover-Version, darunter das schicke aber schlichtere Hardcovder).

Dracula lebt?!

In den Williams-Comics finden sich immer wieder Querverweise auf die Magazin-Reihe „Dracula Lives!“, die man wohl aus Unwissenheit mit „Tomb Of Dracula“ verwechselte und teilweise stur übersetzte. So lautet beispielsweise die Fußnote auf Seite 2 in „Dracula“ Nr. 11: „Dracula lebt! Nr. 1 – Wieder bei Tageslicht wandeln zu können“. Vier Ausgaben später dann der Hinweis auf Draculas Entstehung: „Dracula lebt! Nr. 2“ (Dracula Nr. 15, Seite 6). Und schließlich „Dracula lebt, Nr. 4 MMT“, „Dracula lebt, Nr. 2 MMT“ in Williams Nr. 18 (Comic-Seiten 3 und 4). Ähnlich auch der Hinweis auf Aktivitäten in Dracula Nr. 17: „Ihr habt nichts verpasst, Nager das geschah zwischen zwei Ausgaben! MMT“.

Was sollte der Fan davon halten? Verwirrung pur, immer wieder Verweise auf Geschehnisse, die in Deutschland niemals erschienen. Und das abrupte Ende des Zweikampfs zwischen Dracula und „Werewolf By Night“ mit einem lapidaren „Zwischendurch hat sich einiges ereignet! — MMT“ zur Klärung des Sachverhalts im darauffolgenden Dracula Nr. 19 musste dann wohl oder übel ausreichen. Mit dem Übersetzer hatte merkwürdigerweise auch der Name Quincy Harkers gewechselt. In „Dracula“ Nr. 7 als Nachfahr von Jonathan und Mina Harker aus Bram Stokers Roman eingeführt, wurde er bei Williams spätestens mit Nr. 11 zu „Quincy Parker“, eventuell ein entfernter Verwandter von Spider-Man? Doch der Abschuss ist die Behauptung „Wie wir ausführlich in unserem Heft ‚Dracula lebt‘ schilderten“. in Dracula Nr. 20, Seite 8. Man wünschte sich, Williams hätte diese Reihe tatsächlich veröffentlicht, denn letztlich blieb der Leser nach 33 Heften auf der Ankündigung „Eine Kugel für einen Toten!“ in der nächsten (nicht mehr erschienenen) Ausgabe sitzen.

DraculisteWilliams-Anzeigenpreisliste für „Dracula“ mit Gültigkeitsdatum 1. Januar 1974. Besonders viel Fremdwerbung war gottlob nie in den Heften. Und wenn, dann anders als bei Kauka und Bastei, nicht anstelle eines Comicteils.

Die Nr. 33 war für lange Zeit letzte Kapitel der Vampirsaga, das die deutschen Fans zu lesen bekamen. Das Cover zierte auch die Nr .7 der 12bändigen Panini-Gesamtausgabe ab 2003. Die Hardcover-Version verzichtete auf solchen Kitsch und war in schmucklosem Nachtschwarz gehalten.

Die Vampirjagd geht weiter

Dracula 34_S. 1_NL

Im Nachbarland Holland erschien Mitte der Siebziger Jahre unter dem Label Williams eine acht Bände umfassende Schwarzweiß-Albumserie, deren letzte Ausgabe die in Deutschland nicht mehr veröffentlichten ToD # 34 und 35 enthält. Zum Start des Kinofilms „Blade II“ brachte Marvel USA ein spezielles Tradepaperback mit der Filmadaption und Nachdrucken von ToD # 45 bis 53 heraus.

Mit einem Hardcover-Special zur „Comic Action 2003“ legte Panini bzw. Marvel Deutschland erneut die ersten sechs „Dracula“ -Episoden auf. Sicher zur Freude vieler Fans, da die Williams-Hefte zum Teil nur noch gegen viel Bares zu erstehen sind. Geplant war ursprünglich eine schwarzweiße Veröffentlichung in der von Marvel USA gecancelten Essential-Form. Allerdings hat sich der US-Verlag letztlich doch entschieden, ein Dracula-Essential herauszubringen, das außer den ersten 25 ToDs auch „Giant Size-Chillers“ # 1 und „Werewolf By Night“ # 15 enthält. Inzwischen liegt ToD komplett in drei Essential-Bänden vor. Sogar die Nachfolge-Reihe „Dracula Lives!“ erhielt einen eigenen Sammelband. Somit ist zumindest der Nachschub an Vorlagen für eine deutsche Ausgabe gesichert.

In der Buchreihe „Marvel Horror“ (wahlweise mit Soft- oder Hardcover) erschien „Tomb Of Dracula“ von 2003 bis 2007 erstmals komplett auf Deutsch. Die Nr. 7 bescherte uns im Mai 2005 das nahezu Unfassbare: eine Fortsetzung der Williams-Ausgaben nach ToD # 33.  Skurrilerweise nahm das Leserinteresse an der Reihe ausgerechnet in diesem Moment ab. Panini blieb trotzdem wacker bis zur 12. und letzten Ausgabe dran, obschon die Auflagen sanken und die Händler vor Ort die verbliebenen Fans immer häufiger um Geduld baten.
Hut ab und danke an alle für dieses Durchhaltevermögen!

Trotz dieser Enttäuschung wurde „Marvel Horror“ mit „Ghost Rider“ fortgesetzt. Und auch sonst spuken (Verzeihung!) die alten Horrorwesen immer wieder durch den Blätterwald. US-Frankenstein #1 wurde in „Hachette – Die Offizielle Marvel-Comic-Sammlung Classics XXI“ präsentiert und wird nochmal zusammen mit der bislang unveröffentlichten Frankenstein-Story aus „Legion Of Monsters“ #1 in einem Monat bei Panini erscheinen. Ein kleines Stück von Marvels klassischer Frankenstein-Adaption war außerdem 1982 in Ehapas „Die großen Comic Abenteuer“ Nr. 3 enthalten.

Der gemolkene Blutsauger

Goofola-PaniniDas Nachleben von Marvels Dracula im September 1992 in „Tomb Of Goofula“ (l.), einer vierseitigen Story aus „Goofy Adventures“ # 17. Auch hier zeichnete Gene Colan persönlich. Dieser Tage werden Marvels Horror-Stars in einer Panini-Edition (re.) nochmals auferstehen.

Nicht nur der klassische Dracula-Charakter wird beständig in allen Medien wiedererweckt, auch Marvels Dracula ist nicht totzukriegen.
Zu Halloween 2005 parodierten ihn die „Simpsons“ in „Bart Simpson’s Horror Show“, im Oktober 2006 folgte die deutsche Fassung. Diese „Treehouse Of Horror“-Story betreute das beste Team, das man sich für den Job wünschen konnte. Marv Wolfman und Gene Colan ließen auf 13 Seiten Homer Simpson als Quincy Harker auftreten, Bart als Frank Drake, Lisa als Rachel Van Helsing, Homers Kollegen Carl als Blade und natürlich die Herren Burns und Smithers als Dracula und Renfield. Besonders gelungen ist die Direktkolorierung der Bleistiftzeichnungen, welche den Colan-typischen Strich voll zur Geltung bringt.

Bart Simpsons Horror Show_ColanHier leider nur in Schwarzweiß: eine Seite aus Gene Colans bzw. „Bart Simpson’s Horror Show“.

Geschichten aus der Gruft

Jack Palance, Gene Colans Vorbild für seine Dracula-Version, verließ unsere Welt am 10. November 2006 im Alter von 87 Jahren. Der Schauspieler und Oscar-Preisträger konnte auf eine lange Filmkarriere zurückblicken. Sein markantes Gesicht rührte von Verbrennungen her, die er sich während des Zweiten Weltkriegs als Bomberpilot bei einem Absturz zugezogen hatte. Jack Palance brillierte in mehr als hundert Filmen. 1991 parodierte er sich als „Curly Washburn“, in Anlehnung an seine vielen Western-Rollen, im Film „City Slickers“ selbst, wofür er den Oscar erhielt. Seinen für Comic-Fans vielleicht wichtigsten Auftritt hatte er 1989 in Tim Burtons „Batman“.

Dracula-Gemälde_UK 1973Das „historische Gemälde“ aus der Dracula-Verfilmung von 1973 mit Jack Palance hoch zu Ross. (Im Gegensatz zu Gele Colan und Daniel Wamsler kann der Betreiber dieses Blogs keinerlei Ähnlichkeit mit Marvels Dracula feststellen …)

Bis zwei Jahre vor seinem Tod  stand Jack Palance noch regelmäßig vor der Kamera.

Forts. folgtNächstes Kapitel: Daredevil – Der Mann ohne Furcht 

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