Monsterfreuden

betr.: „80 Jahre Marvel – Die 1970er: Die Monster kommen“ (Panini)

Der vierte Band der Jubiläumsreihe „80 Jahre Marvel“ ist da, er betrifft die 70er Jahre, und markiert die Halbzeit in der schmucken Hardcover-Serie von Panini.* Es ist ein spezieller, aber überaus gelungener Band. Um es gleich zu sagen: das generelle Versprechen, in jedem Buch das Typische einer Marvel-Dekade zusammenzufassen, wird erneut nicht eingehalten. Nachdem wir zuletzt in bezug auf die 60er eine Anthologie serviert bekamen, die korrekter unter der Überschrift „Spider-Man Spezial – seine größten Team-Ups“ gelaufen wäre, haben wir es diesmal mit einer reinen Würdigung der Horrorstars zu tun. Die bildeten damals einen wichtigen Trend, waren aber gleichwohl nur ein Farbtupfer, als sich das „Haus der Ideen“ aus seinem ruhmreichsten Lebensabschnitt ins bronzene Zeitalter der Comic-Kunst aufmachte.

1562231630_DMADEC004_preview_Seite_01In diesem „Psycho“-Haus dräut im besprochenen Band ein aus deutscher Leser-Sicht besonders lang ersehntes Abenteuer: der bisher fehlende Epilog der Frankenstein-Saga nach 43 Jahren.

Doch das Cover ist diesmal unmissverständlich, und dahinter wartet etwas Wundervolles, was ich bei Reprint-Veröffentlichungen dieser Art noch nie erlebt habe: zwei komplette Horrormagazine werden inklusive des redaktionellen Teils (vermutlich) vollständig in deutscher Sprache wiedergegeben, was dem Leser einen optimalen nostalgischen Effekt bereitet. Und während wir bei solchen Panini-Projekten üblicherweise mit dem Immergleichen geneckt werden (und man uns mit einer einzigen Deutschland-Premiere zum Kauf dieses Immergleichen zwingt – unvergessen: die Dr. Doom-Story in der ansonsten besonders ärgerlich kompilierten „Marvel Treasury Edition“), haben wir es diesmal hauptsächlich mit Raritäten bzw. Überraschungen zu tun. Selbst der arglose Horror-Fan ohne Marvel-Anschluss hält hier eine prächtige Auswahl mit „Ghost Rider“, Morbius, Man-Thing, Dracula und dem „Werewolf By Night“ in Händen.

Ein letzter Kritikpunkt: die makellos-klinische Neucolorierung ist diesmal ganz besonders fehl am Platze, besonders bei Michael Ploogs ersten Seiten der Frankenstein-Serie am Ende des Buches.

Ohne Titel-1Lieb gemeint, aber diese Farben sind gruseliger als die geschilderte Handlung. Zum Vergleich: das deutsche „Original“ (Williams Verlag 1974).

Ohne Titel-3

So viel grellbunte Sauberkeit tötet jegliche Atmosphäre. Dass dies kein allzu abgehobener Ansatz ist, zeigt ein Blick in den nostalgischen Sektor der Comic-Veröffentlichungen. In letzter Zeit haben Faksimiles von Originalseiten bzw. -zeichnungen Konjunktur, und hin und wieder wird dieser Look sogar parodistisch eingesetzt.*** Sichtbare Klebestreifen, Retuschen und Rasterpunkte  sind längst keine Sache mehr, die man unbedingt vermeiden müsste. Und wenn schon neu und clean, dann doch bitte mit Gefühl!
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* … wie schon unter https://blog.montyarnold.com/2019/07/06/die-gruft-von-graf-dracula-4/#more-13746 angekündigt.
** Näheres dazu unter https://blog.montyarnold.com/2017/02/01/marvels-monster-von-frankenstein/
*** Siehe https://blog.montyarnold.com/2018/02/19/applaeuse-fuer-die-maeuse/

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