Der Letzte macht die Glotze aus

betr.: erste Ausgabe der TV-Spielfilm ohne Redaktion

Wer heute die neue TV Spielfilm liest, dem wird spätestens bei der Lektüre der Filmbesprechungen etwas auffallen: es fehlt der Pfeffer der persönliche Blick, die treffliche Einordnung. Man fühlt sich, als hätte man gegoogelt. Das kommt nicht von ungefähr: aus Kostengründen wurde die Redaktion aufgelöst, die knapp 30 Jahre lang ihren Dienst versehen hat.

Zu Beginn war TV Spielfilm etwas unerhört Neues: als erste vierzehntägliche Fernsehzeitschrift stellte sie das Filmangebot in den Vordergrund und versprach, wirklich jeden einzelnen Titel anzukündigen und zu bewerten. Sogleich sprossen einige Nachahmer aus dem Blätterwaldboden, und so konnte es zu skurrilen Zweikämpfen kommen. Ich erinnere mich an ein Osterfest, als TV Spielfilm mit der Präsentation „sämtlicher 330 Filme“ des Festtagsprogramms warb, ein Mitbewerber hingegen versprach „sämtliche 360 Filme“. Doch TV Spielfilm war stets gründlicher, witziger und in den Bewertungen wagemutiger. Der „Tipp des Tages“ konnte ebensogut ein „Blockbuster“, ein Geheimtipp oder Trash sein. Das war interessant, auch wenn man im Einzelfall anderer Meinung sein mochte.  

Diese Hingabe der Blattmacher war durchaus angemessen. Die Glotze war einmal das Leitmedium, und das Programm der Öffentlich-rechtlichen ergänzte sich wunderbar mit dem des Privatfernsehens. Das lag auch – natürlich nicht nur – an der Versorgung des Publikums mit großer Filmkunst. Der volkstümliche Medienkritiker Hellmuth Karasek dachte (wie viele von uns), es würde für immer so sein, und zitierte im Vorwort eines seiner Bücher Friedrich Dürrenmatt: „Was einmal erfunden ist, kann nicht mehr zurückgenommen werden.“ Damit meinte Karasek die jederzeitige Verfügbarkeit von Filmklassikern im frei empfangbaren TV. Inzwischen hat sich diese Tugend verflüchtigt, und das Fernsehen hat seine Bedeutung nicht nur bei reiferen Kunstfreunden, sondern auch bei der jüngeren Generation der Mediennutzer restlos verspielt.
So traurig es ist: die TV Spielfilm hat in ihrer bisherigen Form einfach nicht mehr dazu gepasst.

Dieser Beitrag wurde unter Fernsehen, Medienkunde abgelegt und mit , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert