Ixen für Anfänger: Erste Sätze, spätere Sätze (1)

Ixen – eine Technik, die vorwiegend in der Synchronarbeit zum Einsatz kommt – erfordert rasche und präzise Textauffassung. Diese Serie hält Sprech-Übungen bereit, um die betreffenden Instinkte zu schärfen.
Hier geht es um den probaten Einstieg in einen Erzähltext.

Ein Satz, der zusammenhanglos auf einer Karteikarte steht – als Aphorismus, Zitat oder geflügeltes Wort -, wird anders betont, als wenn er in einen Fließtest eingebettet ist. Dort nimmt er zumeist Bezug auf das Vorangegangene, muss sich der Absicht des Textes unterordnen und uns darin weiterführen.
Dieses Phänomen wird recht anschaulich, wenn man sich erste Sätze ansieht. Über das Phänomen des ersten Satzes in einem Roman sind ganze Abhandlungen geschrieben worden; einige von ihnen haben ähnlich viel Aufmerksamkeit erfahren wie das nachfolgende Werk selbst.
Wir wollen das Mythologische nun beiseitelassen und uns nur darauf konzentrieren, was den ersten Satz von seinen Nachfolgern melodisch unterscheidet.

Der Anfang trifft uns unvorbereitet, während wir auf eine schwarze Leinwand (bzw. ein weißes Blatt Papier) blicken. Wir wissen noch von nichts – Titel sind ja nicht immer aufschlussreich. Während der erste Satz einerseits eine gewisse Gemütlichkeit verbreiten und, vom Inhalt unabhängig, die Vorfreude auf das bevorstehende Hörerlebnisses befördern soll – dazu ist ein bequemes Tempo nötig („breit anfangen“) – enthält er gleichzeitig die ersten Informationen, die uns erreichen. Er formt das Eröffnungsbild in unserem Kopfkino.
Um diese Zwecke zu erfüllen, sollte er einen Bogen beschreiben, der unten beginnt, gleichmäßig aufsteigt und nach einem möglichst makellosen Halbkreis wieder unten ankommt. Abweichungen von diesem Prinzip – etwa eine rückbezügliche Betonung oder ein offenes Ende – geben uns beim Zuhören das Gefühl, etwas verpasst zu haben.
Das Ende des Anfangs – der Abschluss des Bogens – ist von besonderer Wichtigkeit. Kurze Sätze beschreiben kleinere, lange Sätze größere Bögen, und alle brauchen einen eindeutigen Abschluss. Wir sind angekommen, es kann losgehen!

Das erste Bild auf unserer Leinwand kann der Eröffnungssatz auf ganz unterschiedliche Weise anregen: als Ortsbeschreibung, als Milieuskizze, als Hinweis auf Tages- oder Jahreszeit, mit dem Auftritt der ersten Figuren, als Situation, in die wir sogleich hineingeraten, in Form einer Metapher, die der Geschichte vorausgeht, oder mit dem ersten Dialogsatz. Es folgen einige Beispiele aus der Pulp-Romanreihe „Doc Savage“:

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