betr.: 56. Todestag von Stan Laurel
Meine Liebe zu Laurel und Hardy ist eine für meine Verhältnisse trendige Leidenschaft. Immerhin treffe ich immer wieder Leute, die sie mögen oder hübsche Kindheitserinnerungen mit ihnen verbinden, und auch alle übrigen können zumindest mit ihrem Namen etwas anfangen. Als das jüngste Buch zu diesem Thema herauskam, fühlte ich mich dennoch recht einsam mit meiner Leidenschaft.

Ich wollte „Stan“ von John Connolly gerne kaufen, weil man ja nicht alle Tage eine solche Neuerscheinung geboten bekommt, befürchtete aber das Schlimmste.
Dass es heute so viele gut zugängliche Informationen über alte Filmstars gibt wie nie zuvor, ist nicht unbedingt ein Vorteil, denn auch die unrichtigen sind zahlreich und gut zugänglich. (Connolly hat sich außerdem im „Stan Laurel Correspondence Archive“ in Kalifornien durch 1.500 Briefe gearbeitet.) Leider nimmt die Zahl jener Exegeten stetig ab, die die Ära, um die es hier geht (die 25 Jahre rund um die Einführung des Tonfilms) wirklich verstehen wollen und einordnen können.
Um mich nicht über einen vermeidbaren Fehlkauf ärgern zu müssen (denn bei Stan und Ollie bin ich sehr empfindlich!), versuchte ich, etwas über die Qualität des Buches herauszufinden. Es war aussichtslos. Der Artikel wurde routinemäßig gelobt. Die RezensentInnen freuten sich artig über das hübsche Sujet („Die beiden sind Kult!“ …), nahmen es aber nicht übermäßig ernst. Meinen Buchhändler konnte ich nicht fragen, der hatte es nicht gelesen.
So brachte ich einige Wochen mit nagenden Zweifeln und organisch gewachsenen Vorurteilen zu, ehe ich schließlich zugriff.
Da John Connolly trotz aller Googelei inhaltlich nichts Neues zu erzählen hat, nimmt er sich Stans Laurels zahlreiche unglückliche Ehen zum Anlass zotige Histörchen zu schildern, die man sich auch selbst denken kann – nur wozu?
Da John Connolly über keinen Stil verfügt, tut er sich und uns die quälende Marotte an, Stan nicht beim Namen zu nennen, sondern ihn immer nur „Er“ und Hardy „Babe“ zu nennen. (Das sei ja tatsächlich Hardys Spitzname gewesen, freuten sich viele Rezensenten.)
Da John Connolly nicht in der Lage ist, erhellende Informationen von unwichtigen zu unterscheiden, häuft er sie übereinander, als würde er nach ihrem Gewicht bezahlt. (Die lästige Fußnotenschreiberei entfällt, da er sich ja für die „Romanform“ entschieden hat.)
Da es heute nicht mehr als zumutbar gilt, Kunstfiguren ihre Würde zu lassen, muss alles dekonstruiert werden, worüber sich frühere Generationen amüsiert haben. James Bond muss zurück in die Ruine seines Internats, um seine unglückliche Kindheit aufzuarbeiten, Comic-Cowboys und Disney-Hexen dürfen nicht mehr rauchen, Laurel und Hardy (die Darsteller, nicht die Figuren) waren vor allem tragisch und verkorkst, und Laurels Landsmann und Kollege Charlie Chaplin war tatsächlich ein übler Strolch, der zuviel rumgemacht hat.
Schon nach wenigen Seiten fühlte ich mich, als wäre ich in eines der Schlammlöcher getreten, die sich bei Stan und Ollie so gern in der Innenstadt plötzlich auftun: nicht körperlich verletzt, aber gedemütigt.
Monate später hat mich ein guter Bekannter angerufen und gefragt, ob er mir seine Taschenbuchausgabe von „Stan“ überlassen soll. Das Buch sei aber Scheiße, warnte er mich …
Timing ist sehr wichtig, besonders in der Comedy!
Bist Du nicht mal wieder zu streng? Welches Buch über Stan & Olli würdest Du denn empfehlen?
Gruß John
Lieber John –
unerreicht und ein ewiges Geschenk: „Laurel und Hardy und ihre Filme“ von William K. Everson. Zwar nur antiquarisch zu haben, dafür aber in einer brillanten Übersetzung. Ganz tief einsteigen in die Ära und Arbeit des Duos kann man mit „Laurel & Hardy“ von Randy Skretvedt (auch nicht mehr im freien Verkauf). Das ist fast so schön wie die Filme selbst.