H. P. Lovecraft in Brooklyn

betr.: 131. Geburtstag von H. P. Lovecraft

Vieles, was sich in bezug auf die Lebensumstände von H. P. Lovecraft verschlagworten lässt, passt so gut zu seinem Werk, dass es erfunden sein müsste: das zurückgezogene Leben in Providence, die Kränklichkeit seiner Jugendjahre, die ihn im Sommer seines Lebens wieder einholte, die neurotischen und früh verstorbenen Eltern, die ihm mit viel Engagement absurde Komplexe einimpften, das spätere Zusammenleben mit seinen Tanten sowie eine Reihe von Verschrobenheiten – etwa die, am liebsten nachts zu arbeiten und zur Not am Tage die Fensterläden zu schließen um bei Lampenlicht schreiben zu können.

Selbstverständlich war Lovecraft gleichzeitig auch ganz anders. Von Providence aus, wo er beinahe sein ganzes Leben verbrachte und von wo aus er nur wenige Reisen unternahm, unterhielt er umso lebhaftere Korrespondenzen: als Knabe mit verehrten Schriftstellern, die ihn berieten und ihm gut zuredeten, später mit Halbwüchsigen, die sich von ihm dazu ermuntern ließen, das Schreiben zu ihrem Beruf zu machen. Obwohl er finanziell nicht übermäßig ausgestattet war, hielt er seine jungen Fans ausdrücklich dazu an, seine Arbeit zu adaptieren und fortzuschreiben. Er verschenkte bereitwillig seine Schöpfungen wie z.B. den „Cthulhu“-Mythos oder das „Necronomicon“* an die folgende Generation phantastischer Autoren.

Es gab in Lovecrafts Leben außerdem eine knapp zweijährige Phase, die belegt, dass er nicht zur Eigenbrötelei verdammt war und durchaus zum geselligen Burschen taugte – ein anregendes Umfeld vorausgesetzt. Es waren die ersten Monate seiner Ehe mit Sonia Greene. Er heiratete seine lebhafte Kollegin 1924 und zog mit ihr in die Clinton Street nach Brooklyn. Lovecraft genoss die gesellschaftlichen und kulturellen Aspekte des Stadtlebens in vollen Zügen. Er nutzte das reichhaltige Angebot an Buchhandlungen und Theateraufführungen und traf sich wöchentlich im „Kalem Club“, einer debattierfreudigen Schriftstellerrunde, der auch James F. Morton, Frank Belknap Long, Everett McNeil, Arthur Leeds und George Kirk angehörten. Er führte ein „Leben ohne Zeitbegriff“, an das er in späteren Korrespondenzen wehmütig zurückdachte.
Doch das Leben in einer festen Beziehung war nichts für ihn. Er und Sonia ergänzten sich nicht gut, und dass sie zum gemeinsamen Lebensunterhalt den erheblich größeren Teil beisteuerte, hat ihn zunehmend beschämt und belastet.

So fiel H. P. Lovecrafts Rückkehr nach Providence zusammen mit dem Ende jener Jahre, „in denen wir die Dinge noch auf seltsame Weise wichtig nehmen konnten, in denen wir uns von abenteuerlichen Erwartungen und Hoffnungen anspornen ließen, die den Morgen und den Mittag vom Nachmittag des Lebens unterscheiden“.
__________________
* Siehe dazu https://blog.montyarnold.com/2020/03/28/necronomicon/

Dieser Beitrag wurde unter Literatur, Science Fiction abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert