House Of Frankenstein

Die Zärtlichkeit der alten Monster

betr.: 127. Geburtstag von Paul Dessau

Atemberaubend und vergnüglich, großes Musiktheater ohne Stimmen! Der dazugehörige Film schließt Universals klassischen Frankenstein-Zyklus ab. Er war ursprünglich unter dem originelleren Titel „The Devil’s Brood“ angekündigt.

Tonträger wie diese gibt es erst seit etwas mehr als 30 Jahren: ausführliche und hochwertige Einspielungen historischer Horrorfilmmusik nach sinfonischen Partituren.
Schon Anfang der 70er Jahre wurde damit begonnen, alte Filmmusik in Hi-Fi-Qualität für den Plattenmarkt zu rekonstruieren (d.h. neu einzuspielen), aber zunächst widmete man sich Filmklassikern und deren wichtigsten musikalischen Vertretern.* Die ersten Alben stellten bezeichnenderweise Suiten von Max Steiner und Erich Wolfgang Korngold vor – zwei Österreicher, die den spätromantischen Orchestersound in Hollywood (und somit in der Filmkunst der westlichen Welt) etabliert haben.
Der in Wien geborene Hans J. Salter komponierte und arrangierte für kleiner budgetierte Filme: die B-Pictures der Universal. Dieses Studio sollte sich im frühen Tonfilm endgültig als Spezialwerkstatt des Horrorfilms etablieren, später kam noch die Science-Fiction hinzu.

Filmmusik war in jenen Tagen zum einmaligen Gebrauch gemacht: nur zur Verwendung in einem Film, an dessen Wiederaufführung oder Weiterverwertung niemand dachte (schon gar nicht bei kleinen Gruselfilmen). Umso beeindruckender sind die Partituren, die unter enormem Zeitdruck dafür geschrieben wurden. An ihrem ursprünglichen Bestimmungsort – dem Kino der 30er und 40er Jahre – waren sie unter Geräuschen und Dialogen begraben und den klangtechnischen Mängeln des Lichttons sowie – schlimmer noch – der frühen Kinolautsprecher preisgegeben. Kein Kinobesucher, kein Musikfreund hat sie damals wirklich kennengelernt.

Beispielhaft für die Wiederentdeckung, die wir Heutigen durch die erwähnten Aufnahmen feiern können, sei hier auf „House Of Frankenstein“ verwiesen, an dem auch Paul Dessau beteiligt war. Dessau hatte schon in der Weimarer Republik zur Filmmusik gefunden und (wie zuvor Hans J. Salter) in Kalifornien Schutz vor den Nachstellungen der nationalsozialistischen Machthaber gesucht.
Der nunmehr vollständig vorliegende Soundtrack ist ein Kompendium all dessen, was den frühen Horrorfilm wie auch dessen Musik ausmacht. Die Vorspannmusik kommt ohne Umschweife auf die Tragik ihres Titelhelden zu sprechen, des längst verstorbenen Wissenschaftlers, der uns diese noch unseligere Kreatur hinterlassen hat. Das pathetische aber immens kultivierte Thema lässt Dr. Frankenstein seine Würde. Schließlich hatte er mit seinem Wunsch, Leben zu schaffen und Schönheit auf ewig zu erhalten, nicht die übelsten Absichten und ist eher ob seiner Hybris ein fragwürdiger Charakter. Das alte Europa, Nistplatz und Schädelstätte der wirklich großen Mad Scientists der Neuen Welt, ersteht in folkloristischen Motiven wieder auf: eine waldreiche Gegend, die aus deutschen und böhmischen Dorfklischees zusammengesetzt und für jedermann sofort einleuchtend und lokalisierbar ist. Auch wer den Film nie gesehen hat (was bei „House Of Frankenstein“ keinen Verlust darstellt), durchlebt die liebenden Gefühle der Figuren, ihren Hader und ihr Scheitern. Ein paar weitere Filmmonster sind zu Gast und werden musikalisch portraitiert, und selbstverständlich bekommt auch der Vollmond einen eigenen Track. 

Auf diesem Album gab es 1973 einen ersten Vorgeschmack auf hochwertigen Horror-Orchestersound für die heimische Stereoanlage. Den Track „Creation Of The Female Monster“ komponierte  der emigrierte Berliner Jazzmusiker Frank Waxman für den zweiten und schönsten Frankenstein-Film der Universal Pictures: „The Bride Of Frankenstein“. **

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* Mehr dazu unter https://blog.montyarnold.com/2015/02/06/hollywoods-karajan-hollywoods-george-martin/
** Siehe dazu auch https://blog.montyarnold.com/2019/06/18/7-franz-waxman-charles-gerhardt-sunset-boulevard/

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