Zu früh aus dem Ofen genommen (1)

Von Elend und Größe der zeitgenössischen Chanson-Szene

„Ich mag gern Menschen ansehen, bei deren Erschaffung der Liebe Gott gut aufgepasst hat. Bei den meisten hat’s draußen geklingelt, und er hat das Zeug halbfertig liegenlassen!“ Was Kurt Tucholsky über Menschen sagte, trifft auch auf Chansons zu.
Das meiste, was man so vorgetragen bekommt, ist nicht fertig, sondern nur auf die Gesamtlänge gestreckt. Irgendwann hat’s eben draußen geklingelt. Oder es war 16 Uhr 30, und der Künstler wollte nicht mehr.
Die Möglichkeit, sich ein zweites Mal hinzusetzen, wurde erst gar nicht in Erwägung gezogen.

Gerade namhafte Künstler stehen gerne mal zwischendurch auf. Das Repertoire ist voll von diesen 16-Uhr-30-Momenten. Sie durchsetzen viele Chansons von Reinhard Mey, die meisten von Georg Kreisler (Ausnahmen sind z.B. „Mein Weib will mich verlassen“ und „Ich soll immer was Lustiges schreiben“), fast alle von Konstantin Wecker, praktisch das Gesamtwerk von Bodo Wartke.
Prokrastination scheint schon lange, bevor sie als Begriff in Mode kam, ein Kernstück der Chansonkunst gewesen zu sein (- womit ich nicht gesagt haben möchte, dass diesen Liedern nicht noch andere Versäumnisse oder Versuchungen anzumerken sein können.) Was auf diese Weise entsteht, wartet im günstigen Fall mit einer guten Idee auf, die man aber nach wenigen Zeilen, spätestens nach dem Beginn des ersten Refrains begriffen hat. Danach sitzt man den Vortrag brav aus und wartet das Ende der letzten Wiederholung ab. Man kann von Glück sagen, wenn es am Ende noch eine Überraschung gibt – einen Twist oder eine Pointe. Oder eine Anregung, die qualitativ über die Information hinausgeht, dass der Haifisch Zähne hat.

Und ich rede hier nicht von Dilettanten. Gerade namhafte Künstler stehen gerne mal zwischendurch auf. (Nur Sebastian Krämer bleibt bei jedem Lied so lange sitzen bis es fertig oder doch wenigstens aufführungsreif ist.) Das Repertoire ist voll von diesen 16-Uhr-30-Momenten. Sie durchsetzen viele Chansons von Reinhard Mey, die meisten von Georg Kreisler (Ausnahmen sind z.B. „Mein Weib will mich verlassen“ und „Ich soll immer was Lustiges schreiben“), fast alle von Konstantin Wecker, praktisch das Gesamtwerk von Bodo Wartke.
Prokrastination scheint schon lange, bevor sie als Begriff in Mode kam, ein Kernstück der Chansonkunst gewesen zu sein (- womit ich nicht gesagt haben möchte, dass diesen Liedern nicht noch andere Versäumnisse oder Versuchungen anzumerken sein können.) Was auf diese Weise entsteht, wartet im günstigen Fall mit einer guten Idee auf, die man aber nach wenigen Zeilen, spätestens nach dem Beginn des ersten Refrains begriffen hat. Danach sitzt man den Vortrag brav aus und wartet das Ende der letzten Wiederholung ab. Man kann von Glück sagen, wenn es am Ende noch eine Überraschung gibt – einen Twist oder eine Pointe. Oder eine Anregung, die über die Information hinausgeht, dass der Haifisch Zähne hat.

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