Nie mehr schwul sein

Tom Hanks, professioneller Crowd-Pleaser mit internationaler Reichweite, übt sich nun sogar in der Tugend der vorauseilenden Gefallsucht: „Könnte ein Heterosexueller das, was ich in ‚Philadelphia‘ gemacht habe, heute tun?“ fragt er heute die Leserschaft des „New York Times Magazine“ in bezug auf seine Oscar-gekrönte Performance vor knapp 30 Jahren. Und verneint dann selbst: „Ich glaube nicht, dass die Leute die fehlende Authentizität eines Heteros, der einen Schwulen spielt, akzeptieren würden. Es ist kein Verbrechen, kein Buhruf, wenn jemand sagt, dass wir mehr von einem Film verlangen in der modernen Welt der Authentizität.“
Mit dieser Unterstellung impliziert Tom Hanks mehrerlei.
Zunächst einmal, dass es bei der Vergabe von Oscars nicht um Qualität (in diesem Falle um die Glaubwürdigkeit der darstellerischen Leistung) geht. – Da hat er unzweifelhaft recht. Er deutet damit auch an, es könnte an seiner Darstellung eines schwulen Rechtsanwalts, der an AIDS erkrankt, etwas auszusetzen geben, was man damals vielleicht noch nicht sehen oder einordnen konnte. – Es gibt nichts daran auszusetzen. Weiterhin gesteht er uns durch die Blume, dass er vergessen hat, worum es in seinem Beruf eigentlich geht: etwas darzustellen, was man nicht von vorneherein ist. – Oder er stellt sich zumindest so dumm, um nicht auf unsachliche Art für etwas kritisiert zu werden, was eine Ewigkeit her ist.

Damit redet Hanks einer Sprach- und Denkpolizei nach dem Munde, deren Doktrin darauf hinausläuft, Zombies, Serienmörder und Außerirdische dürften nur noch von Betroffenen gespielt werden. Und Laien nur noch von Laien. (Wir Deutschen sind in dieser Hinsicht vorbelastet, schließlich haben wir jahrelang einen tatsächlichen Irren namens Klaus Kinski für eine Performance beklatscht, die mit Schauspielerei nun wirklich nichts zu tun hatte.)
Vielleicht ist Mr. Hanks aber auch einfach in einem Alter, wo er nicht nur gewisser Diskussionen müde sein darf, sondern wo ihn auch künstlerische Dinge nicht mehr interessieren. Und auch nicht die Umstände, unter denen künstlerisch gearbeitet wird.

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