Als Sprecher ist man zwangsläufig hin und wieder gezwungen, hinsichtlich des Einsatzes von Gendersprache eine Fremdbestimmung zu akzeptieren. – Sich darüber zu beklagen, hätte in etwa die professionelle Qualität der Schauspielerin, die am Set von „Der bewegte Mann“ sinngemäß zu ihrem Regisseur sagte: „So spiele ich diese Doro nicht, die ist ja fürchterlich drauf!“
Doch dann ist man doch wieder ein wenig verstimmt, nämlich bei Formulierungen, die die Grenzen des konsequenten Genderns aufzeigen* oder bei Stilblüten, die sich klar aus der strengen Sprachregelung ergeben.
Außerdem kam ich einmal in die Verlegenheit, einen Autor stimmlich zu vertreten, dessen vermittelter Botschaft das Gendern wohlverstanden gar nicht entsprochen haben kann und dem es ganz offensichtlich vom Verlag aufgezwungen worden war (was ich Hörbuch übernehmen musste). Das Buch handelte nämlich von (Alltags-)Philosophie und von den zahllosen kleinen Taktiken des billigen Selbstbetrugs, mit dem wir uns vormachen möchten, wir würden besser (oder die Welt würde durch uns besser), wenn wir sie nur fleißig anwendeten – um dann mithilfe des Autors und bei reduzierter Redlichkeit z.B. festzustellen: kein tätiger Sexismus unterbleibt, kein weibliches Gehalt steigert sich auch nur um eine Puseratze, kein misogynes Herrschaftssystem verkürzt sich auch nur um eine Viertelstunde, wenn ich meinen Sprachfluss durch einen Glottisschlag ausbremse. Dass sich der Autor um einen flapsigen, leicht zugänglichen und nicht zu wissenschaftlichen Ton bemüht, vergrößert diesen Abstand zwischen Sinn und Form noch weiter. Damit schreibt er zwischen die Zeilen: Immer schön locker bleiben, lasst euch nicht verrücktmachen.
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* Siehe https://blog.montyarnold.com/2022/07/09/21049/
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