Genialitätsvorschuss abgelaufen

betr.: Gepflogenheiten des Streamings

Nie war das Phänomen des geflissentlichen Genialitätsvorschusses so präsent wie in unserer zuendegehenden Goldgräberzeit der Streaming-Dienste. Der lachhafte Generalverdacht, nach „Breaking Bad“ müssten alle Serien zwangläufig gut oder einfach besser sein, nur weil sie „episch erzählt“ und nicht-linear präsentiert werden, hat sich im Dialog zwischen Netflix und seinen Fans lange gehalten, und das Feuilleton spielte gern mit. Er belebte sich nochmals, als Hollywood-Regisseure scharenweise zu den Streaming-Anbietern überliefen, weil sie sich von den Filmgesellschaften zu sehr gegängelt fühlten, um dort ihre abendfüllenden Projekte zu verwirklichen. Dass das Fehlen von Einschränkungen (die sich in der Filmgeschichte oft als Befeuerung der kreativen Fantasie erwiesen haben) nicht zu besserem Gelingen führen muss, fasste die SZ in einem Resümee so zusammen: „Irgendwann wird man auf die Filmgeschichte zurückblicken und merken, dass die größten Namen ihre schlechtesten Filme für Netflix gemacht haben. (…) was zum Beispiel Martin Scorseses ‚The Irishman‘, Spike Lees ‚Da 5 Bloods‘ und ‚The Ballad Of Buster Scruggs‘ der Coen-Brüder verbindet, ist der Mangel an Kohärenz, Timing und Tempo sowie eine künstlerische Selbstverliebtheit bis an die Grenze der Arroganz.“ Es sei „Mittelmaß“, das aus den Gesamtwerken der Legenden herausfalle.
So viel hilfreiche Deutlichkeit wurde in den Rezensionen dieser Werke übrigens allzuoft vermieden. Leider.  

Dieser Beitrag wurde unter Fernsehen, Film, Internet, Medienphilosophie abgelegt und mit , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert