„Schön, Sie nicht kennenzulernen!“

betr.: ein DLF-Feature von Fritz Tietz

Ich nehme an, das Feature „Unbekannte Bekannte“ hätte Truman Capote große Freude gemacht. Es entwickelt diesen kribbelnden, leicht gruseligen Sog, der einige seiner besten Texte auszeichnet (etwa „Miriam“ oder „Baum der Nacht“).
Wenn Sie den Sendetermin vor einigen Tagen verpasst haben, ist das schon deshalb nicht schlimm, weil die Sendung „wegen eines technischen Problems“ ausfiel und man uns auf die Mediathek verwies.* (Im übrigen handelt es sich um eine Wiederholung von 2018.)
Fritz Tietz hat ein Thema gefunden und bespielt, das aus maximaler Nichtigkeit und Alltäglichkeit großen Nervenkitzel gewinnt. Zu allem, was hier erzählt wird, haben wir alle – Leugnen ist zwecklos! – eine persönliche Meinung. Aber viele von uns haben sie noch nie fertig ausgebildet oder darüber gesprochen. Mit seinem eigenen Beitrag zu der Frage, wie wir eigentlich zu jenen Menschen stehen, die wir alltags auf dem Weg zur Arbeit oder in unserem Viertel sehen ohne jemals mit ihnen zu reden, treibt der Autor uns lustvoll vor sich her und zitiert sogar große Schriftsteller, die ebenfalls darüber nachgedacht haben.

Am Rande dieses Gedankenspiels (und der fesselnden Recherche, die sich anschließt) fallen Kabinettstückchen fürs Leben ab. Tietz besucht u. a. den Humoristen Max Goldt, der – ehe er auf die Thematik eingeht – stolz eine knarrende Tür in seiner Wohnung vorführt. Dabei fiel mir eine Tür in meiner früheren Wohnung auf St. Pauli ein, die auch ein markantes Quietschen von sich gab. Immer, wenn ich sie öffnete spielte sie die ersten drei Töne eines Zwischenspiels aus Rimski-Korsakows „Scheherazade“. Beim Schließen gab sie keinen Mucks von sich.
_______________
* Hier ist sogar ein Download möglich: https://www.hoerspielundfeature.de/unbekannte-bekannte-schoen-sie-nicht-kennenzulernen-100.html

Dieser Beitrag wurde unter Gesellschaft, Hörfunk, Literatur, Monty Arnold - Biographisches abgelegt und mit , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert