betr.: „Der bewegte Mann“, heute um 17 Uhr im METROPOLIS Kino Hamburg
Als es daranging, aus seinem Buch „Der bewegte Mann“ und dessen Fortsetzung „Pretty Baby“ einen Film zu machen, war man so nett und bat den Autor und Zeichner Ralf König um einen Vorschlag für die männliche Hauptrolle. In meiner Erinnerung gab es Anfang der 90er auf deutschem Boden keinen einzigen Mann in Ralfs Alter (Homo oder nicht), der sich freiwillig einen deutschen Film angesehen hätte – allenfalls sowas behaglich Eingestaubtes wie „Die Feuerzangenbowle“. Ralf dankte dennoch höflich, als man ihm einen hohen Filmstapel mit aktuellen deutschen Kinofilmen überreichte (ein besonders hoher und einschüchternder Stapel, da es sich um Videocassetten handelte) und sagte, man werde ihn nächste Woche einfach mal entspannt anrufen und nachfragen. Dass Ralf auch unfreiwillig keine Lust auf deutsches Kino hatte, wollte er den Kollegen von der Produktion ungern sagen.
Er war richtig verzweifelt, zumal ihn der zuoberst aufliegende Film besonders abtörnte. Auf dem Cover von „Stalingrad“ setzten Dominique Horwitz und zwei Kollegen mit frostverbeulten Gesichtern die Schrecken von Weltkrieg, Eis und Finsternis mimisch um.
Ich war glücklich, ihm den Tag retten und das längste SM-Wochenende seines Lebens ersparen zu können. Ich ging ja gern und regelmäßig in Pressevorführungen und kannte das deutsche Schauspiel-Ensemble außerdem aus den Shows, TV-Filmen und –Serien, die ich regelmäßig zu parodistischen Studienzwecken sichtete.
Ich sagte: schlag doch einfach Til Schweiger vor – wohl wissend, dass diese unbehaarte Nachwuchshoffnung Ralfs Vorstellung nicht vollends entsprechen konnte. Aber in seiner Manta-Klamotte hatte Schweiger ja wirklich entzückend ausgesehen. Und wir alle kennen den Aphorismus vom Angler, dem Fisch und dem Wurm. „Der kuckt mir ein bisschen zu listig“, meinte Ralf ohne Nachdruck. Angesichts der Lage war klar, dass Til Schweiger schon gewonnen hatte. (Nachhaltig, wie wir heute wissen.)
Katja Riemann war ohne unser Zutun gecastet worden, und sie vermittelte Ralf eine frühe Vorahnung davon, wie zweischneidig das Vergnügen werden könnte, sein Buch auf der Leinwand wiederzusehen. „Diese Doro ist ja eine grässliche Frau!“ soll sie dem Regisseur zur Begrüßung erklärt haben. „Also so spiel‘ ich die aber bestimmt nicht.“ Und überhaupt: sie fand Ralfs Comic frauenfeindlich.
Innerhalb des Regie-Konzeptes, das hier zum Einsatz kommen würde, sollte das jedoch kein Problem sein. Sönke Wortmann drehte die Pointe des Buchs um. Im Comic sind die Heteros ausnahmsweise die Exoten, das ist ja der Witz an der Sache. Auf der Leinwand war die gute Ordnung wiederhergestellt. Da Wortmann die köstlichen Dialoge aber übernahm, hatte das Publikum trotzdem seinen Spaß, strömte zahlreich und löste einen Boom deutscher RomComs aus. Katja Rieman bescherte der Trend den heute vergessenen Komödienerfolg „Stadtgespräch“, in dem sie ihr verbiestertes Rollenbild weiter verfeinern konnte. Wäre er früher entstanden, hätte dieser Film sicher auch im Stapel gelegen. In einer tragenden Nebenrolle erregte Moritz Bleibtreu darin erstmals richtig Aufsehen. Als sexy Jungschwuler.
Eines von Ralfs meistverehrten Vorbildern, Woody Allen, sah den Film übrigens auch. Er ging in New York in eine Präsentation dieser deutschen Komödie, von der er so viel gehört hatte – ich weiß nicht, ob er die englisch synchronisierte Fassung sah, die die Produktion zur besseren internationalen Wahrnehmung angefertigt hatte. Jedenfalls war Allen ratlos, was denn daran komisch sein solle. Über dieses vernichtende Urteil hat sich Ralf köstlich amüsiert.
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