Mathias Sandorf – Zwischen Weihnachts- und Mottenkugeln

Das weit zurückliegende Vergnügen der großen TV-Adventsvierteiler lag schon in den letzten Zügen, als vor unglaublichen 43 Jahren „Mathias Sandorf“ ausgestrahlt wurde. Kennen Sie nicht? Macht nichts! Es war eine schon für damalige Verhältnisse unsagbar schwerfällige Angelegenheit mit einigen uns unbekannten ungarischen Schauspielern. In dieser Phase der „Abenteuer-Klassiker“ hatten die koproduzierenden Redakteure bereits ihre liebe Not, noch geeignete literarische Vorlagen vom Appeal einer „Schatzinsel“ oder eines „Robinson Crusoe“ zu finden. Da es mit Jules Verne schon zweimal geklappt hatte, entschied man sich für „Mathias Sandorf“, den zumindest bei uns zu Hause niemand mit dem Namen klingenden des Autors in Verbindung brachte. Die Geschichte duftet sehr nach Dumas‘ „Der Graf von Monte Christo“ und wird mit zahllosen Klischees aus „Kapitän Nemo“ gestreckt (warum also nicht gleich Christo oder Nemo?). Trotzdem bringt es der Film nur unter Ächzen auf die konzipierte Länge von sechs Stunden.
Warum erinnere ich mich überhaupt daran?

Diese DVD hat Knecht Ruprecht für die unartigen Kinder von heute im Sack!

Der Hauptdarsteller, ein stämmiger Draufgänger mit Vollbart, kommt viele Jahre nach einem großen Verrat mit unter falschem Namen unerkannt an den Schauplatz des großen Verrats zurück, um Rache zu üben: ein mediterranes Küstenstädtchen, vor dem er mit seiner Nemo-Submarine ankert. Einer der Gründe, warum ich die Serie überhaupt in Erinnerung behielt, war Sandorfs Tarnname Dr. Antekirrt (köstlich!). Der andere entfaltete sich erst später. Zwar vergaß ich bald, wie grotesk sich der Mann zurechtgemacht hatte (wenn Sie Orson Welles in „Mr. Arkadin“ gesehen haben, haben Sie eine vage Idee) aber in „Mathias Sandorf“ begegnete ich erstmals der Herausforderung, einen Darsteller älter zu schminken. Da er bis auf seine alberne Verkleidung und einen grau gefärbten Bart ganz unverändert aussah, setzte sich bei mir der Eindruck fest, der Alterungsprozess müsse nicht zwangsläufig so grimmig verlaufen wie bei den Senioren aus meinem sozialen Umfeld. Ich kapierte natürlich, dass hier ein jüngerer Mensch agierte, wollte aber so gerne an die Ambitionen der maskenbildnerischen Abteilung glauben.
Dann sah ich in der zweiten Staffel der US-Serie „Roots“, wie man so etwas richtig gut macht (die Amis mal wieder) – und kam ins Nachdenken.
Das Thema hat mich erwartungsgemäß weiterhin beschäftigt.
Ernst sei das Leben und heiter das 70er-Jahre-Fernsehen.

Dieser Beitrag wurde unter Fernsehen, Film, Medienkunde abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert