Die widergefundene Textstelle: Kishon spielt um sein Leben

betr.: 18. Todestag von Ephraim Kishon

Im Arbeitslager spielten Hirtenberg und ich Schach auf einem kleinen Brett, das wir heimlich von zu Hause mitgebracht hatten. Plötzlich hörte ich hinter mir eine Stimme: „Es ist nicht der richtige Zug, Junge!“ Ich drehte mich um und fiel fast in Ohnmacht. Hinter mir stand Gott persönlich: Gott in Uniform. Bekannt auch als der Lagerkommandant. Ich wagte ihm dennoch zu widersprechen: „Gestatten Sie, Herr Kommandant – nach dem Buch des internationalen Großmeisters Maroczy Geza ist das sehr wohl der richtige Zug. „Du irrst dich!“ sagte Gott. „Nicht dein Zug ist in dem Buch beschrieben, sondern ein Sprung mit dem Läufer.“ Ich antwortete: „Mit Verlaub, aber der Zug, den Herr Kommandant meinen, ist in dem Buch falsch angegeben. Im Anhang befindet sich eine Liste der Druckfehler, die der Herr Kommandant sicherlich übersehen haben. Dort steht, dass der Zug so durchzuführen ist wie ich es mir erlaubt habe.“ – „Rühr dich nicht von der Stelle!“ befahl er und verschwand. Kurz darauf kam er mit dem Buch Maroczys zurück. „Nimm deine Sachen, und komm mit!“ ordnete er an und führte mich in sein Büro im Hauptquartier. Ich musste den gelben Streifen vom Arm nehmen, und er sagte: „Du bleibst hier!“
So wurde ich Sekretär in seinen Diensten. Meine Aufgabe bestand darin, die Korrespondenz abzuheften, die über die Nahrungsmittellieferungen geführt wurde. Sie slowakischen Soldaten, die mit mir zusammenarbeiteten, wussten genau, dass ich ein jüdischer Gefangener war oder bestenfalls ein Halbjude. Damals wurde aber ein Befehl niemals infrage gestellt. Wenn der Befehlshaber beschlossen hatte, ich sei kein Jude, dann war ich auch keiner, punktum. Sooft ihm seine Arbeit dazu Zeit ließ, spielte der Hauptmann mit mir Schach. Er war ein guter Schachspieler, jedoch kein Profi wie ich, und ich konnte ihm eine Menge beibringen. Meine Konzentration durfte jedoch keinen Moment nachlassen, denn hätte ich mehrere Spiele verloren, wäre mein Sonderstatus in Gefahr gewesen.

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