Der Komiker als Filmheld (16): „The Big Sick“

In dieser Reihe werden Filme vorgestellt, deren Helden Komiker sind. Nach einer kurzen Inhaltsangabe werden sie hauptsächlich danach beurteilt, wie kundig und glaubhaft sie diesen Beruf abbilden. (Meistens entspricht dieser Aspekt aber auch der Gesamtnote.) Biopics werden an anderer Stelle behandelt.
Einige dieser Filme werden bis Ende Februar im METROPOLIS Kino Hamburg in der begleitenden Filmreihe „Die freiwillig komische Leinwand“ vorgestellt.

Der junge pakistanische Uber-Fahrer Kumail versucht in einem Chicagoer Comedy-Club zu reüssieren. Seine traditionsbewusste Familie verübelt es ihm, setzt ihn aber nicht übermäßig unter Druck. Nach einem Auftritt lernt Kumail Emily kennen. Jedesmal, wenn die beiden Sex hatten, versichern sie einander die Unverbindlichkeit ihrer Beziehung. Es gibt den ersten Krach, als Emily dahinterkommt, dass Kumails Familie nichts von ihr weiß und eine Hochzeit nach pakistanischer Sitte für ihn arrangieren will. Erst jetzt erkennt Kumail, wie ernst ihm die Sache ist. Ohne sich mit ihm versöhnt zu haben, erkrankt Emiliy plötzlich und wird in ein künstliches Koma versetzt. Kumail sucht weiterhin ihre Nähe und freundet sich im Krankenhaus mit ihren Eltern an. Er sehnt den Tag ihres Erwachens ebensosehr herbei wir er sich vor ihm fürchtet …

„The Big Sick“ (2017) ist ein beinhartes Feelgood-Movie (Holly Hunter ist mal wieder gar nicht so schlimm wie sie aussieht). Das ist legitim, und der Film ist von der Kritik sehr gelobt worden. Leider leistet er sich die für eine RomCom üblichen Nachlässigkeiten und Kitsch-Exzesse. Er zeigt uns typische junge Stadtmenschen im Zeitalter der selbstoptimierten und anspielungssatten Dauer-Flippigkeit beim druckreifen Smalltalk und skizziert damit vermutlich seine Zielgruppe. Kumails konservative Familie benimmt sich immer so unlogisch wie die Storyline es gerade braucht. Zunächst tritt sie nachsichtig, naiv und alles in allem sehr westlich auf, dann verstößt sie den Sohn urplötzlich – aber meint das letztlich auch wieder gar nicht so. Die Atmosphäre und das Verhalten des Publikums im Club sind stimmungsvoll eingefangen, auch die Comedians, denen wir ausgiebig bei der Arbeit zusehen können, sind realistisch gezeichnet. Sie reden in ihren gemütlichen Backstage-Sesseln pausenlos von ihrer Karriere, anstatt an ihren Nummern zu feilen (wobei der dräuende „Montreal-Auftritt“ eine Nebenhandlung bildet), sind aber als Komiker in ihren Sets ebenso unkomisch wie als Charaktere. (Der Film gibt das anständigerweise sogar zu.) Selbst „Saturday Night Life“-Ensemblemitglied Ady Bryant fällt in ihrer Nebenrolle nicht positiv auf. Umso mächtiger legen sich die übrigen Figuren mit ihrem Geblödel ins Zeug, besonders Emilys verzweifelte Eltern. Unentwegt wird gekalauert und mit Pointenversuchen um sich geworfen, sogar im Trauerraum des Krankenhauses. Alle Figuren reden wie in einem (etwas faden) Stand-Up-Monolog und graben damit dem Helden das Wasser ab. Insofern wird „The Big Sick“ seinem gewählten Milieu, der Comedy, nicht gerecht.

Das Drehbuch stammt von Kumail Janjiani, der sich selbst spielt, und seiner Frau Emily V. Gordon, die hier die Anfänge ihrer Beziehung verarbeitet haben. Der Film ist jedoch nicht als Biopic, sondern als romantische Einwanderergeschichte vor dem Hintergrund der humoristischen Subkultur angelegt.

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