Geliebte Stimmen (10): Konrad Wagner

In der Glanzzeit deutscher Synchronkunst klang Konrad Wagner (1902-74) bereits recht betagt – nicht im Sinne der Hinfälligkeit, sondern wegen der bedächtigen Klugheit in seiner Stimme, in die sich gleichwohl immer ein leiser Zweifel zu mischen schien, ein Affekt des unablässigen Nachdenkens. Im Synchronlexikon wird sein Sound treffend als „gutmütig“ und „verletzlich“ beschrieben (ganz im Gegensatz zum hammerharten Arnold Marquis). Das prädestinierte ihn für väterliche Typen (wie den „M“ in den frühen Bond-Filmen, den er sich mit Kollegen teilte), ließ ihn aber auch in sehr militanten Portraits funktionieren (der verblendete Prediger in „Wer den Wind sät“). Selbst offensichtlichen Unfug wie den Prolog zu einem der klassischen „Planet der Affen“-Filme (eine quasi-religiöse Predigt) versah Konrad Wagner mit Würde und Relevanz.
Er gehört zu den Sprechern, die man gerade wegen eines großen Vorzugs gern übersieht (nicht überhört): wegen der Vollständigkeit der Verschmelzung mit seinem optischen Gegenstück. Die lustvolle Irritation, wo man seine Stimme schon mal gehört hat, bleibt in der Regel aus.

Kürzlich gestand mir eine Aufnahmeleiterin, es gäbe heute einen gewissen Mangel an reifen Stimmen. Das hängt damit zusammen, dass alle versuchen, lebenslang wie Mitte 30 zu klingen. Das gelingt sogar den meisten, es geht aber auch zu Lasten der Individualität. Unaufdringliche Charakterstimmen wie die von Walter Konrad werden in den Ateliers nicht mehr sonderlich geschätzt.

Zu seinen schönsten Rollen zählen der freundlich-böse Nachbar in „Rosemaries Baby“, Edward G. Robinson in dem weitsichtigen Öko-Thriller „Soylent Green“ und der von Ray Milland gespielte Vater in „Love Story“.

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