Die wiedergefundene Textstelle: Zora Neal Hurston – Wahl der Waffen

Zora Neale Hurston ist eine der wichtigsten Literatinnen der Harlem Renaissance.
Als sie am 15. Januar 1891 in Notasulga, Alabama, geboren wurde, war die Sklaverei zwar vorbei, doch die Brutalität gegen Schwarze hatte neue Formen angenommen. Nach dem Ende des Bürgerkriegs 1865 hatten die befreiten Sklaven gehofft, einen gleichberechtigten Platz in der entstehenden neuen Ordnung zu finden, aber diese Hoffnungen zerschlugen sich rasch. Der Civil Rights Act von 1875, der allen Bürgern der USA unabhängig von ihrer Hautfarbe Zugang zu sämtlichen öffentlichen Einrichtungen gewährte, wurde 1883 widerrufen. Die einzelnen Bundesstaaten konnten nun Gesetze erlassen, die gesonderte Zugabteile, Toiletten, Theaterränge, Schulen für Schwarze vorschrieben. Dies geschah nach dem Grundsatz „separate but equal“, „getrennt aber gleich“, wobei sich die Gleichheit als Farce erwies. Schwarze wurden gehindert, ihr Wahlrecht auszuüben. Gesetz um Gesetz zementierte die Rassentrennung. Gewalt gegen Schwarze bis hin zum Lynchmord war an der Tagesordnung.
In ihrer Autobiographie „Dust Tracks On A Road“ („Ich mag mich, wenn ich lache“, Übers. Barbara Henninges, Ammann, Zürich 2000) berichtet Hurston in einem verblüffend leichten, amüsanten Tonfall über ihr Leben unter solchen Bedingungen. Ihr Hobby war die anthropolgische Feldforschung. In den Siedlungen des Eisenbahnbaus, der Holz- und Terpentinindustrie im Süden der USA konnte es rau hergehen. Sie kam damit gut zurecht. Nur einmal überlegte sie, ein Messer zu kaufen weil sie sich die Feindschaft einer Frau namens Lucy zugezogen hatte. Eine andere Frau – tonangebend in der Siedlung – nahm sie unter ihre Fittiche und riet ihr dringend vom Messerkauf ab:

„Du kannst doch mit kein Messer nich umgehn. Dafür haste kein verstehste nich. Du weißt nich mal nich, wie man das am praktischsten anpacken tut. Du tätst weit ausholen mitm Arm, und schon wär Lucy drunter durchgewitscht und hätt dich abgestochen eh du an se rankommst. Und selbst wennste richtig rangehst, ist ja nich damit getan, dass du jemand ein Messer reinrammst. Das Dingen muss bis zum Anschlag rein, und dann musst du runterziehn! Dann machense kein Ärger mehr. Dann sind se mausetot. Aber lass du die Finger von Messerstechereien. Du bist nich wie ich ich. Du tust ja nich mal mit keine Männers schlafen. Ich hab auch mal Jungfrau sein wollen, habs aber nicht durchgehalten. Hab das Geld zu doll gebraucht. Is aber schön, dass du so bist. Schreib du mal schön die ganzen Lügenmärchen auf! Die Schlägereien, die überlass mir! Das wär das Gescheiteste, wo wir numal Freunde geworden sind.“

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