Die Unarten der Schauspielkunst (3)

Fortsetzung vom 2. Juli 2023

Hier werden die Erläuterungen nachgereicht, die der Schauspieler Carl-Heinz Schroth (1902 – 89) seiner Liste der 10 schlimmsten Unarten des Bühnenschauspiels hinzugefügt hat. Sie ist unter  https://blog.montyarnold.com/2023/06/29/carl-heinz-schroth-10-unarten-der-schauspielkunst-1/ nachzulesen.

Wenn man die Satzzeichen hört

Der Punkt 8 der Liste lautete:
„Du sollst sparsam sein mit Interpunktionen.“

Meinen Schülern im Blattlesen pflege ich gern zu sagen, dass Satzzeichen an sich unsichtbar sind. Sie müssen eigentlich nur betrachtet werden, wenn ihre Funktion für das Verständnis des Satzes wichtig ist – also etwa, um zwischen voneinander abweichenden Bedeutungen zu unterscheiden, die beide bei diesem Wortlaut möglich wären. Ein Fragezeichen klingt in der Regel völlig anders das vorangegangene.*
Einfach ausgedrückt: Wer über ein Satzzeichen nachdenkt, denkt nicht über die Situation nach, die er zu interpretieren hat – und die wenigsten Texte handeln von Satzzeichen.
Bei Carl-Heinz Schroth geht es um das Theaterschauspiel – und da sieht man ohnehin keine Satzzeichen, da man das Textbuch längst beiseitelegt hat. Daraus folgt beinahe zwangsläufig:


Interpunktionen sollten für Boulevardschauspieler polizeilich verboten werden! Besonders die Kommata sind Gefahrenquelle Nummer eins.
Gewöhne Dir an, darüber hinwegzusprechen, eine Sprache wird unnatürlich, wenn Du die Kommata mitsprichst, auch Gedankenstrich, Fragezeichen, Doppelpunkte; und auch Ausrufungszeichen und Punkte bitte nicht mitspielen. Ich weiß, daß in der Schauspielschule das Gegenteil gelehrt wird. Aber glaube mir – der „manche tausend Jahre an dieser harten Speise kaut“ -, daß ich es besser weiß.
Auch Tonwechsel bei einem neuen Gedanken ist ein alter Hut aus der Theaterschule. Es ist viel reizvoller, Gedankenwechsel ohne Übergang und ohne Tonwechsel spontan zu vollziehen, man muß es allerdings können.
Es gibt natürlich Fälle, in denen ein falsch sitzendes Komma den Sinn verändert. Solche Kommas müssen selbstverständlich gesprochen werden.

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* Siehe dazu https://blog.montyarnold.com/2017/09/16/ixen-fuer-anfaenger-vom-umgang-mit-dem-fragezeichen/

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