Verbrechensbekämpfung lohnt sich nicht

betr.: 109. Geburtstag von Joe Shuster (vorgestern)

Joe Shuster, der gemeinsam mit dem gleichaltrigen Jerry Siegel als Erfinder von „Superman“ gilt, kommt als Sohn eines jüdischen Schneiders in Toronto zur Welt und wächst in ärmlichen Verhältnissen auf. 1923 lässt sich seine Familie in Cleveland, Ohio nieder, wo Joe und Jerry zu Nachbarskindern werden. Neun Jahre später beginnen sie, das Fanzine „Science Fiction. The Advance Guard Of Future Civilisation“ herauszugeben, in dessen dritter Ausgabe unter dem Pseudonym „Jerry S. Fine“ der von Siegel verfasste und von Shuster illustrierte Comic „The Reign Of The Superman“ erscheint. Die Geschichte hat aber mit dem späteren Comic noch nichts zu tun und ist an Philip Wylies Novelle „Gladiator“ (1930) angelehnt. Der Titelheld erringt seine Kräfte als Versuchskaninchen eines Forschers und ist eher ein Schurke.
1935 nimmt Siegel zu National Comics Kontakt auf, einem Verlag, den wir heute als DC kennen. Im folgenden Jahr hat Joe Shuster dort seinen ersten Einsatz bei „Mr. Mystic“, weitere heute vergessene Serien folgen. 1937 arbeiteten beide an der ersten Ausgabe der „Detective Comics“, für die sie die Figuren „Slam Bradley“ und „Spy“ erfinden. Inzwischen haben sie ihre Heldenfigur überarbeitet: die übermenschlichen Kräfte sind nunmehr außerirdischen Ursprungs, und es gibt eine Geheimidentität (wie vom Hörspiel-Schurken „The Shadow“ vorexerziert). Die wichtigste Quelle der Anregung ist der Pulp „Doc Savage“.*
Weil sich ihr Verlag nicht für „Superman“ interessiert, bieten sie ihn verschiedenen Mitbewerbern an und werden abgewiesen, bis schließlich doch National zulangt und ihnen ihre Kreation für 150 Dollar abkauft (einige Quellen sprechen von 130 Dollar). In „Action Comics“#1 hat „Superman“ 1938 seinen ersten Auftritt und ziert auch das heute berühmte Titelbild. Er wird so beliebt, dass er schnell eine eigene Heft-Serie bekommt, eigene Hörspiele und Trickfilme u.v.a.m.; der Rest ist Geschichte.
Shuster und Siegel verdienen noch einige Jahre daran, für die Serie zu schreiben und zu zeichnen, dafür gründen sie ein Studio in Cleveland. 1948 zerstreiten sich Künstler und Verlag wegen der Rechte, die sie natürlich nicht zurückbekommen. Auch später angestrengte Prozesse ändern nichts daran. Jerry Siegel melkt die Idee mit „Superboy“ weiter aus, für den er sogar zu National zurückkehrt, hat aber nie wieder einen annähernd erfolgreichen Einfall.
Joe Shuster ist als Zeichner nicht gut genug, um jenseits seines frühen Volltreffers eine solide Karriere zu machen. Zuletzt setzt er nur noch den Superman-Kopf auf die Zeichnungen seiner Kollegen. Vor allem im Vergleich mit den Meistern, die ab 1961 für Marvel Comics Superhelden-Abenteuer zeichnen**, wirken seine Arbeiten fad und mitunter krude.

1975 kauft sich DC von der Verpflichtung frei, Siegel und Shuster weiterhin als Erfinder der Figur nennen zu müssen. Kurz darauf erhält Marlon Brando – längst fett geworden und voll koketter Verachtung für die Filmindustrie – 4 Millionen Dollar für seinen winzigen Kurzauftritt zu Beginn des ersten „Superman“-Kinofilms. Siegel und Shuster bekommen keinen Cent, bis Jerry es mit einer Briefaktion hinbekommt, dass das produzierende Filmstudio Warner Bros. den beiden eine kleine Rente bewilligt, um einer größeren Peinlichkeit zu entgehen (wohlgemerkt: das Filmstudio, nicht DC).

Während Jerry Siegel noch einige Jahre als Autor arbeitet, zieht sich Shuster aus der Branche zurück – geplagt von schwindendem Augenlicht, Spasmen in den Händen und den Folgen eines losen Lebenswandels. Er lebt lieber auf der Straße als bei seinem Bruder um Unterschlupf zu bitten, schreibt aber viele Bittbriefe. 

Joe Shuster stirbt 1992, immerhin nicht mehr obdachlos, Jerry Siegel folgt ihm 1996 in ebenfalls ärmlichen Verhältnissen nach.
Mehr als 15 Jahre später wird eines von Joe Shusters Werken kurzzeitig wiederentdeckt – sein vermutliches Werk, denn die Zeichnungen tragen keine Signatur. Anfang der 50er Jahre hatte er wohl – kurz bevor der Comics Code solche Publikationen unmöglich machte – gewaltvolle und sexuell explizite Comics für 16 Ausgaben der Heftreihe „Nights Of Horror“ gezeichnet, die sogar von verurteilten Gewaltverbrechern als Inspiration ausgegeben wurden. Der Sammelband „Secret Identity“ warb 2009 erfolgreich mit dem Hinweis, die Zeichnungen könnten von dem Mann stammen, der einst „Superman“ gezeichnet hat.     

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* Hier ausführlich vorgestellt: https://blog.montyarnold.com/2018/10/12/doc-savage-der-bronzemann-die-deutschen-taschenbuecher/
** Gewürdigt in der Reihe „Die Marvels wie sie wirklich waren“, siehe https://blog.montyarnold.com/2019/02/14/12574/

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