Unarten der Schauspielkunst (6/6)

Fortsetzung vom 8. Juli 2023

Hier werden die Erläuterungen nachgereicht, die der Schauspieler Carl-Heinz Schroth (1902 – 89) seiner Liste der 10 schlimmsten Unarten des Bühnenschauspiels hinzugefügt hat. Sie ist unter  https://blog.montyarnold.com/2023/06/29/carl-heinz-schroth-10-unarten-der-schauspielkunst-1/ nachzulesen.

Bedienung! Der Schrecken des Explizierlautes

Punkt 9 der Liste lautete:
„Du sollst den Gebrauch von Eselsbrücken vermeiden.“

Als schrecklichster der Schrecken hat sich in diesem Zusammenhang der Münchner Schauspieler Michael Habeck hervorgetan, der Mitte der 70er Jahre daran beteiligt war, die Langfilme von Laurel und Hardy neu zu synchronisieren – Filme also, für die bereits Eindeutschungen vorlagen, die mehrheitlich zu den Gipfelleistungen der Synchronkunst zählen. Dass man ihn ausgerechnet auf Oliver Hardy besetzte, mit dessen subtiler Mimik der bisherige deutsche Sprecher Arno Paulsen optimal umgegangen war, machte aus einem unehrenhaften Ansinnen eine Untat. Wann immer sich in Hardys Gesicht eine kleine Laune abzeichnete, sich Hardys Mund auch nur um eine Winzigkeit öffnete, wird Habeck gerufen haben: „Das muss ich doch bedienen!“ – und die Regie hat ihm offensichtlich nicht widersprochen. Eine durchgehemde Suada von kurzen Schnaufern, Krächzern, Kieksern, Schnappern, Schmatzern, Schnarchlauten und kontrollierten Bäuerchen ergoss sich nun auf die Tonspur – gepaart mit Habecks obligatorischen Unsitten: bajuwarisch gerollten Rs, seiner schneidenden Krächzstimme, unnötig lauten Atmern und all den anderen Besonderheiten, die ihn für diese Rolle nicht eben ausgewiesen haben.
Solche Füllstoffe und Explizierlaute gibt es nicht nur in der Synchronarbeit (wo man sie allerdings am deutlichsten hört), sondern auch auf dem Theater. Carl-Heinz Schroth kommt unter einem anderen Stichwort darauf zu sprechen:


Eselsbrücken. Eine Angewohnheit, die ihre Entstehung der Tatsache verdankt, daß es an vielen Bühnen zu wenig Proben gibt und sich die Kollegen, die nicht genau wissen, wie ihr Satz anfängt, dahin retten, indem sie ihrem eigentlichen Satz Füllworte vorausschicken, die zu allem passen und die Schrecksekunde ein bißchen verlängern. Wie zum Beispiel „Sag mal“ (wird am häufigsten gebraucht) oder „Hör mal“ oder „Übrigens“ oder „Was ich sagen wollte“ oder auch ein langgezogenes „Ähhh“.
Je länger man das „Ähhh“ zieht, um so mehr kann man bei einem guten Souffleur (die es übrigens auch nicht mehr gibt) vom nächsten Satz erhaschen. Eine Angewohnheit, die sich erhalten hat auch bei Darstellern, die die Ausrede des Probenmangels gar nicht haben, ja, ich ertappe mich manchmal selbst bei „Sag mal“ …

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