Planlos, doch mit aller Kraft

betr.: Autorenstreik in Hollywood

Es ist beeindruckend: die US-amerikanischen Drehbuchautoren halten ihren Streik noch immer durch. Im nunmehr vierten Monat der Maßnahme haben sich längst auch viele Schauspieler solidarisiert und dem Protest angeschlossen. Na gut … jetzt, da es gar nichts zum Verfilmen gibt, ist dazu der beste Zeitpunkt. Zumal ja auch dieser Berufszweig nicht vor den Bedrohungen durch die KI gefeit ist, gegen die die Drehbuchleute neben ihrer Forderung nach besserer Bezahlung außerdem demonstrieren.

Gerade weil ich die oft übersehene und allzu geringgeschätzte Arbeit der Autoren für so überaus wichtig halte, entgeht mir aber auch die Scheinheiligkeit nicht, die diesem Protest innewohnt. Gerade in Hollywood wird seit Jahren auf einem so jämmerlichen handwerklichen Niveau gearbeitet, dass ich mich frage, woran die Studiobosse überhaupt gemerkt haben, dass ihre Autoren streiken – vermutlich haben sie heimlich die Gewerkschaftszeitung gelesen.
In fast sämtlichen Filmen und den meisten Serien aus den USA, die sich zuletzt gesehen habe, hatte ich gar nicht den Eindruck, dass hier überhaupt ein Drehbuch vorliegt, so sehr rappelt der Baukasten, so fade und klischeehaft wird geredet, so unlogisch und vermurkst ist die Storyline.
In einer bestimmten Trickserie, deren einzelne Episode 20 Minuten dauert, werden pro Folge bis zu fünf Autoren genannt. Hand aufs Herz: es ist vollkommen unmöglich, an einem Drehbuch dieser Länge zu fünft zu arbeiten, ohne dass als Ergebnis ein reines Diskussionsprotokoll herauskommt. Jede KI würde ein konsumfreundlicheres Ergebnis abliefern, würde man ihr die Sätze einspeisen, aus denen jede Folge dieser Serie im Wesentlichen besteht, solange sie von Menschenhand verfasst wird: 

Damit kommst du nicht durch! – Das wirst du bereuen! – Oh nein! – Jetzt bist du dran! – Du wirst schon sehen! – Keine Angst! – Ich rette Dich! – Stehengeblieben! – Na warte! – Das wird Dir noch leidtun! – Wir müssen los! …

Natürlich ist mir bewusst, dass es nicht allein die Phantasielosigkeit und die mangelnde Inkompetenz der Autoren sind, die zu solcher Verödung führen. Die veröffentlichten Ergebnisse sind gezeichnet von einer nie dagewesenen Kontrollwut der Produktionsformen, die sich in die Bücher einmischen und sie reglementieren. Wenn die Streikenden klug sind, nehmen sie die Forderung in ihren Katalog mit auf: Lasst uns endlich unsere Arbeit machen!

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