Wenn Kinder so dumm wären wie angenommen (1)

betr.: Schreiben für Film und Fernsehen

Wer für die jugendlichen Zielgruppen schreibt, wird unentwegt mit der Begründung ausgebremst, Kinder seien zu doof, um intelligenten Witz zu verstehen, Satire als solche zu erkennen, kritisches Verhalten ohne ausdrückliche Belehrung kritikwürdig zu finden und scheinheilige Botschaften zu durchschauen. Selbstverständlich gebraucht niemand das Wort „doof“, aber es läuft darauf hinaus.
Bei meinen Kollegen (die ja unter den gleichen Bedingungen zu schreiben haben) lese ich dann oft, Kinder seien wahnsinnig schlau und überhaupt die viel besseren Menschen.
Das ist natürlich Blödsinn (und offensichtlich vorauseilender Gehorsam).
Kinder sind uns Erwachsenen geistig-moralisch nicht überlegen, sie verdienen aber unsere gesteigerte Nachsicht und Anleitung. Sie sind auch nicht klüger als wir Alten. Dümmer aber auch nicht. Was ihnen an Erkenntnis mangelt, machen sie mit ihrem Bewusstsein wett, dass sie vieles noch nicht wissen. Sie sind unentwegt am Dazulernen (sie tun das sehr bewusst) und am Improvisieren (um ihre Wissenslücken zu kaschieren). Das wiederum macht sie zu einem sehr interessanten und potenziell dankbaren Publikum, zu einem Publikum das überhaupt nicht doof ist.
Paul Maar, der als berühmter Schriftsteller in diesem Segment etwas Freiheiten genießt als ein namenloser Medienautor, gab dennoch kürzlich im Gespräch mit der „taz“ zu, er schätze seine Arbeit für Erwachsene höher ein als die für Kinder. Er bejahte aber auch Frage, ob Menschen, die für Kinder schrieben, die ausgeglicheneren seien. „Warum?“ – „Weil es freundlichere Menschen sind.“ – „Die Kinder?“ – „Die Autoren.“

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