Im Reservat der Unkorrekten

Im aktuellen „Spiegel“ wird im Rahmen einer langen Essay-Reportage von den „Karl-May-Festspielen“ in Bad Segeberg über die Problematik von kultureller Aneignung und der Weiterbenutzung solcher Begriffe wie „Indianer“ nachgedacht. Als notorischer Western-Nicht-Fan und Reise-Muffel komme ich selten in die Verlegenheit, diesen Ausdruck (nicht) zu benutzen*, finde ihn aber schon deshalb generell bewahrenswert, weil man ihn braucht, um jüngeren Menschen erklären zu können, dass sich andere dadurch verletzt fühlen könnten. (Sonst tun das irgendwann jene, die ihn verächtlich gebrauchen.) Wie die Vermittlung dieser wichtigen sozialen Kompetenz ohne diese und andere problematische wortwörtliche Nennungen gelingen soll, hat mir noch niemand erklären können.

Ich bin bei der Lektüre des Artikels mal wieder erleichtert, niemals Karl May gelesen zu haben (und insofern etwas aus der Schusslinie zu rutschen). Für die bedrückende Spießigkeit seiner deutschen Verfilmungen kann der Autor natürlich nichts; ich habe ihn aus einem anderen Grund nicht lesen wollen, an dem er ebenso unschuldig ist. Es gab einfach immer viel zu viele Alternativen, die mir viel spannender und bereichernder erschienen. Obwohl sich die Kindheit ja immer schrecklich hinzieht, hatte ich einfach nicht genug Zeit für Karl May.
Da fällt mir auf: das ist bis heute so geblieben.
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* Ich bekenne mich schuldig, vor vielen Jahren eine Stand-Up-Nummer mit dem Titel „Winnetussi“ verfasst und öffentlich vorgetragen zu haben. Sie handelte allerdings ausdrücklich nicht von fremden Kulturen oder ihren Schicksalen, sondern vom kindlichen Umgang mit solchen Sujets in den westdeutschen 70er Jahren. (Der Unterschied mag nicht jedem einleuchten …) Dieser Monolog ist übrigens nicht mal autobiografisch, sondern aus der Beobachtung meiner Altersgenossen zusammengestellt. Der Wilde Westen war mir schon immer fremd, die Chinesen haben mich viel mehr fasziniert …

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