Patient von Dr. Freud, Mentor von Dr. Frankenstein, Kollege von Dr. Boerne

Zum Tode von David McCallum

Die Gäste schlecht vorbereiteter Interviews werden gerne mit langen klebrigen Aufzählungen begrüßt, so nach dem Schema: „Frau Knef – Sie sind Sängerin, Schauspielerin, Malerin, Dichterin, Schriftstellerin, Tropenforscherin, Krokodilzüchterin, Kopfgeldjägerin … – Wie schaffen Sie das eigentlich alles?“ Ich schäme mich dann immer ein bißchen fremd – so als hätte sich hier jemand selber gelobt.
Werner Schneyder ist in meiner Erinnerung der einzige, der einer solchen Einführung mit dem Hinweis entgegentrat, letztlich hingen ja all die gesagten Dinge miteinander zusammen und wären gar nicht so viele wie sie sich anhören.

Nun lese ich in den ersten Online-Meldungen vom Tode des Schauspielers David McCallum ein Statement seines Sohnes Peter, das in diese Richtung geht. Sein Vater sei „von Wissenschaft und von Kultur begeistert gewesen. Er konnte sowohl ein Orchester dirigieren, als auch eine Autopsie vornehmen, dank seiner jahrzehntelangen Studien“ für die Rolle des  Gerichtsmediziners Donald „Ducky“ Mallard in der seit 2003 laufenden Krimiserie „Navy CIS“.
Ich habe die Serie nie gesehen, dennoch hat David McCallum einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen. Er war her heimliche Held (also der wichtigste männliche Nebendarsteller) im Adventsvierteiler meines 12. Lebensjahres „Die Abenteuer des David Balfour“ (sowas verbindet, besonders wenn Peter Fricke die Rolle synchronisiert) und trat bald darauf – gerade so, als hätte er meine geheimsten Wünsche erfüllen wollen – in einem herrlich schrägen „Frankenstein“-Zweiteiler auf.* Da war er längst ein Star für mich, denn er hatte kurz davor in der Titelrolle der kurzlebigen Reihe „Der Unsichtbare“ große Selbstironie bewiesen. Ich schnappte am Rande auf, er habe außerdem in „Solo für O.N.C.E.L.“ (wiederum im Fernsehen, aber nicht auf unserem Bildschirm) mit Leo G. Carroll und Robert Vaughn ein Team gebildet. Dass David McCallum auch Musiker war, wusste sich seit seiner Version des „Batman“-Themas von Neal Hefti (als Erkennungsmelodie der SR-Sendereihe „Bundfunk“) …
All das ist natürlich kompletter Kleinkram und längst vom Winde verweht, ebenso wie die wenigen Filmauftritte des Schauspielers – etwa als Patient von Montgomery Clift in „Freud“ (1961) oder als Bösewicht in „Hear My Song“ -, aber da war es schon passiert: ich hatte diesen gar nicht mal gutaussehenden, aber unendlich liebenswerten Kerl mit der Handpuppenfrisur längst ins Herz geschlossen.
Und ich freute mich all die Jahre, dass er immer noch da war und mitmischte, z.B. bei „Navy CIS“. Dass uns ein so vielseitiger Künstler ausgerechnet auf dem Gipfel des Facharbeitermangels verlässt, hätte sich auch die Drehbuch-KI nicht schöner ausdenken können.

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* Der ST. GEORGE HERALD berichtete: https://blog.montyarnold.com/2015/04/17/kein-monster-wie-alle-anderen/

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