„Sie finden dich nie“ – Eine Hörspielkritik

betr.: gestrige Ursendung der vollständigen Fassung des Zweiteilers „Sie finden dich nie“ im Deutschlandfunk. (Details und vollständiger Hörspiel-Stream unter: https://www.hoerspielundfeature.de/sie-finden-dich-nie-teil-dlf-kultur-985c5267-100.html und https://www.hoerspielundfeature.de/sie-finden-dich-nie-2-2-100.html)

Daisy, die neunjährige Tochter der Masons, ist nach einer Kostüm- und Grillparty im Garten ihres Elternhauses unauffindbar. Detective Inspector Adam Fawley und sein Team nehmen die Ermittlungen auf. Als Partygäste, Nachbarn und Mitschülerinnen verhört werden, bieten sich einige mögliche Täter an, doch das größte Unbehagen geht von den Eltern des Mädchens aus. Der Beziehungskrieg, den Mr. und Mrs. Mason während der Befragungen schamlos vor den Beamten austragen, ist dabei weniger beklemmend als der Umstand, dass sich beide in den Stunden vor Daisys Verschwinden gar nicht um das Mädchen gekümmert haben. Erst um Mitternacht haben sie sie vermisst. Als der Tag und der Ablauf der Party rekonstruiert werden, stellt sich heraus, dass die Masons Daisy seit dem Frühstück nicht mehr gesehen haben. Ihr Kostüm hat auf der Party möglicherweise ein ganz anderes Kind getragen …

Die Ansage erklärt uns, dass sich „Sie finden dich nie“ als Beginn einer Reihe versteht, die Ermittler Fawley und sein Team bestehen, werden und weist darauf hin, der Held habe als durchgehender, sich entwickelnder Charakter auch persönlich ganz schwere Päckchen zu tragen. Dass mir – und ich bin da gewiss nicht allein – solche Klischees längst zum Halse heraushängen, ist bei den Krimi-Machern noch nicht angekommen. Prompt gibt es im letzten Akt eine völlig überflüssige Schicksalsbeichte von Detective Inspector Fawley, die zum Glück rasch vorbeigeht und deren Fortsetzung den Zuhörern der späteren Fälle auf die Füße fallen wird.
Ich ließ mich trotz dieser Warnung auf das Abenteuer ein, und es hat sich letztlich gelohnt. Der Beginn dieses Radiokrimis „nach dem internationalen Bestseller von Cara Hunter“ ist sogar großartig als stimmige Schilderung einer Spießer- und Familienhölle in unserer Welt der Wohlstands und der optimierten, aufgeräumten Eigenheime. Dieses Sittengemälde verblasst etwas, als das Ermittlerteam seine ersten Schlüsse zieht und aus dem Umfeld des Kindes von den üblichen zum Hauptverdächtigen findet. Dann kreist der Fall um Kindesmissbrauch, ein relevantes Thema, das wir zuletzt sehr reichlich hatten, nachdem das sich das Hörspiel (wie die mediale Öffentlichkeit insgesamt) lange Zeit kaum dafür interessiert hat. Obwohl sich diese Fährte als Holzweg erweist, zerstört sie einen Großteil vom Geheimnis der Geschichte, und im zweiten Teil rutscht diese dann weitgehend in das verquasselte und unnötig komplizierte Konzept ab, an das wir uns im Fernsehen gewöhnt haben, für das das Radio aber nicht das geeignete Medium ist. Was das heutige Hörspiel dem Hörspiel früherer Zeiten im Gelingensfall an realistischer Darstellung voraus hat, lässt es an Timing vermissen. Es gibt gefühlt keinen Rhythmus, keine Pausen mehr, und das macht die Sache noch unübersichtlicher.
Doch das solide Fundament des Anfangs trägt. Auf dem Bildschirm oder im Kino habe ich ein so fesselndes Drama lange nicht erlebt.

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