Was bleibt?

Einigen der Kabarettisten, die 16 Jahre lang gegen Helmut Kohl anblödelten, könnte am Ende von dessen Regentschaft die Frage durch den Kopf gegangen sein, ob sie ihn mit ihrer „Satire“ und ihren Parodien (Kohl war sehr leicht zu parodieren) nicht vielleicht sogar unterstützt und qua Verharmlosung zu seiner Beliebtheit beigetragen haben. Verkürzt wurde seine Ära durch die zahllosen „Birne“- und Pfälzer-Witze jedenfalls nicht.
Aber es ist durchaus unwahrscheinlich, dass sich jemand diese Frage gestellt hat – die Berufsgruppe der Kabarettisten ist kein übermäßig selbstkritischer Menschenschlag.

Die Komiker von Monty Python haben in der langen Phase ihrer Auflösung durchaus über den gesellschaftlichen Effekt ihrer Kunst nachgedacht.
Terry Gilliam war rückblickend unzufrieden: „Wir haben ein langfristiges Gespür für das Absurde aufrechterhalten, und das ist in dieser Welt sicherlich gut, vor allem mit George W. Bush im Weißen Haus. Aber die Wirkung, von der wir träumten, haben wir sicher nicht erzielt. Vielleicht haben wir diesen Leuten sogar die Machtübernahme ermöglicht. Hätten die Menschen nicht gelacht, sondern sich konzentriert, wäre das vielleicht nicht passiert. Wir sind schuld, dass George W. Bush mit seinen Jungs an die Spitze kam! Das hat mir bei Satire und Comedy immer Sorgen gemacht: dass das Lachen die Menschen davon abhält, genug Wut zu empfinden, um aktiv für eine bessere Welt zu kämpfen. Es ist eher eine Ablenkung als ein Schritt zur Lösung.“
Das wird jeder nachvollziehen können, der dieses seltsam feierliche Gefühl schon einmal miterlebt hat, dass sich beim Schlussapplaus mitunter in einem Kabarett-Auditorium ausbreitet. Denen haben wir’s aber heute ordentlich gegeben, denkt der Applaudierende und geht mit der trügerischen Genugtuung nach Hause, seine Ration an zivilem Ungehorsam mal wieder für eine Weile abreagiert zu haben.

Terry Jones tröstete sich: „Ich weiß nicht, was Python tatsächlich geleistet hat. Das Beste ist vielleicht, was mir ein Freund erzählte, der in den 70ern an einer Großstadt-Gesamtschule als Lehrer arbeitete. Er meinte, seit den Python-Ausstrahlungen könnte man eine Veränderung im Verhalten von Jungen im Teenageralter feststellen. Während sie früher recht aggressiv gewesen seien, würden sie nun herumblödeln, und das führte er auf Python zurück. Für einen kurzen Augenblick war es mehr angesagt, zu blödeln statt zu bedrohen. Das war vielleicht unsere einzige Leistung: eine kleine Veränderung des Verhaltens großstädtischer Heranwachsender für eine kurze Phase in den 70ern. Was kann man mehr erwarten?“

John Cleese, der eiskalte Pragmatiker der Gruppe, kam zu diesem Fazit: „Die Pythons haben die Comedy-Welt sicherlich verändert. Aber auf recht negative Weise. Denn man nutzte unsere Errungenschaften nicht, um einen Schritt weiterzugehen, sondern rührte sie nicht an. Das resultierte darin, dass eine bestimmte Art von Humor zur Sackgasse wurde.“
Das wiederum erinnert mich an die Zeit als mir und meinen Kollegen in Vorbereitung eines Comedy-Ensembleformats (wir waren nicht zu sechst sondern zu neunt …) Monty-Python-Sketche vorgeführt wurden, um uns zu inspirieren. Die Redaktion hoffte, wir würden etwas daraus machen. Wir taten es nicht.

Aus dem Essay „Humor Omnia Vincit“

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